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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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Die Tochter des Fälschers
    [ 1 ]  
    Die Tochter des Fälschers.  
    Von Carl Heigel. 1  
    1.
    Die Gäste an der fürstlichen Tafel waren beim Dessert. Die Liebenswürdigkeit des Fürstenpaars, das treffliche Diner und reichlicher Champagner hatten mehr und mehr die bürgerliche Befangenheit und Zurückhaltung gebannt, das Gespräch wurde lauter, lebhafter, und Jeder nahm daran Theil. Einige Gutsbesitzer aus der Nachbarschaft, die Beamten des Fürsten und der nahen Kreisgerichtsstadt und der junge Pastor waren zugegen. Nur der Rendant des königlichen Gerichtes war abwesend. Man erwähnte seine Krankheit, und eine seltene Uebereinstimmung von Verehrung und Theilnahme für den wackern Mann gab sich kund. Die Fürstin und der Pastor betonten den frommen, sittlichen Sinn Günther’s, der Kreisrichter und Actuarius hoben die Diensttreue und unermüdliche Thätigkeit des Rendanten hervor, Alle vereinigten sich im Lobe seiner Bescheidenheit und Herzensgüte. Nur Doctor Michaelis schwieg; doch die wortkarge, verschlossene Art des fürstlichen Leibarztes war bekannt. Zuletzt erhob sich der Herr des Schlosses, ein wahrer Edelmann, mit offenem Sinn für alles Gute begabt. „Meine verehrten Gäste,“ begann er, „wir sprachen soeben von einem Manne, der als Vater, Bürger und Beamter Allen ein Muster ist. Ich entspreche gewiß Ihrem innersten Gefühl, wenn ich meiner Freude über die Verlobung seiner Tochter mit unserm lieben Pastor lauten Ausdruck gebe! Trinken wir auf das Wohl des jungen Brautpaars, auf die baldige Genesung des allbeliebten Ehrenmannes!“
    Dem Trinkspruche folgte allgemeine und begeisterte Zustimmung. Das Gläserklirren schien kein Ende nehmen zu wollen, und Jeder drängte sich zum Pastor, um dem künftigen Schwiegersohn des einzigen Günther die Hand zu schütteln.
    „Aber Doctor,“ rief plötzlich Reinhold den Arzt an; „Sie haben ja noch Ihr volles Glas stehen. Tranken Sie denn nicht auch auf die Gesundheit meines theuren Freundes?“
    „Ach was!“ erwiderte Jener verdrießlich; „Ihr habt gut Jemandem Gesundheit wünschen; die
Mühe
des Gesundmachens bleibt doch mir allein.“
    „Um so mehr sollten Sie auf seine baldige Genesung mit uns anstoßen. Aber während wir Alle uns des seltenen Mannes erfreuen, sitzen Sie mürrisch und schweigsam, als ob Sie gegen Günther weiß Gott was auf dem Herzen hätten!“
    „Ich habe gar nichts gegen ihn! Nur bin ich kein Schwärmer und lobe keinen Menschen vor seinen Tode! Fehler haben wir Alle, und er wird sie wohl auch haben!“
    Pastor Reinhold wollte gereizt antworten, allein in demselben Augenblick erhob sich die Fürstin und gab damit das Zeichen zum Aufbruch. Verstimmt durch des Doctors zweifelhaftes Gebahren verabschiedete sich Pastor Reinhold bald von der übrigen Gesellschaft und schlug mit eiligen Schritten den Weg nach dem benachbarten Städtchen, dem Ziel und Wohnort der meisten Gäste, ein. Sein Mißbehagen wurde durch die Schärfe der Luft nicht gemildert, welche außerhalb der warmen Schloßräume die Heimkehrenden empfing. Denn der Abend war mit Nebel und Frost hereingebrochen, und aus manchem Fenster der auftauchenden Stadt schimmerten schon die Lampen fleißiger Handwerker. Die Pappeln, die zu beiden Seiten des Heerweges gepflanzt waren, ragten kahl wie Mastbäume empor und knarrten im Nachtwind. Links und rechts dehnte sich der weiße Spiegel der verschneiten Gefilde; fernab, wo der dunkle Waldsaum begann, grauten Nebel.
    Dicht vorm Thor sah dem einsamen Wanderer das Häuschen des königlichen Kreisgerichts-Rendanten mit rothen Fenstern entgegen. Unwillkürlich stand Reinhold still und lüftete mit tiefem Athemzug den Hut.
    „Der Wein ist wir zu Kopf gestiegen,“ sagte er sich selbst. „Dieser Doctor! Gott verzeihe mir, aber ich hasse ihn! Das Fürstenpaar, die Räthe, wie freundlich, wie begeistert waren sie Alle außer ihm! Er liebt meinen Schwiegervater nicht; pah, er liebt auch mich nicht, er liebt Niemand, es sei denn seinen Pudel! Gleichwohl bin ich so thöricht, mir durch sein Achselzucken die ganze Freude verderben zu lassen. Ich fühle mich beengt, etwas wie eine trübe Ahnung lastet auf mir. … Ah! …“ Er athmete tief aus. Dann öffnete er die Gartenthür.
    „Willkommen, Reinhold!“
    Beim Anblick seiner Braut schwanden alle Schatten auf des Pastors Stirn. Das schöne, schlanke Mädchen kam ihm auf der Schwelle mit Licht entgegen und zog ihn freudig erregt in die warme Wohnstube. Dort stellte sie den Leuchter auf den
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