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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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Rendant plötzlich auf und wies nach dem Fenster, das nach dem Garten ging und nur wenige Fuß über der Erde lag, denn des Rendanten Zimmer waren im Erdgeschoß. Ein Gesicht, ein wohlbekanntes, hatte sich an den Scheiben gezeigt und war schnell wieder verschwunden.
    „Da! da, Scybylski!“ rief Günther. Er war noch blässer geworden. Amanda trat an’s Fenster. Wirklich sah sie draußen im Mondlicht den Actuarius über die verschneiten Beete nach der Gartenthüre huschen.
    „Warum kommt er nicht herein?“ sagte sie verwundert.
    „Soll ich ihn hereinrufen?“ fragte der Pastor und griff nach seinem Hut.
    „Nein, nein!“ bat Günther. „Laßt ihn gehen!“
    Die beiden Andern schoben die Ursache seiner Aufregung auf die Krankheit. Der Pastor verplauderte noch ein halbes Stündchen, dann empfahl er sich. Amanda machte sich im Nebenzimmer ein Lager zurecht und versank bald in Schlaf. Von des Vaters Lager aber floh der Schlaf. Draußen regte sich nichts; nur der Wächter sang von Stunde zu Stunde sein eintöniges Lied. Elf Uhr – zwölf Uhr – Eins! Und wieder starrten Günther’s Augen in’s Leere, wieder schrieben seine Finger auf die Decke Zahlen, löschten sie aus und schrieben wieder. Er sah im Geiste seinen Collegen und Nachfolger über den großen Büchern sitzen, die sonst wohlverschlossen in seinem, in des Rendanten Pulte lagen. Er rechnete mit seinem Traumbild, revidirte und addirte eine endlose Reihe von Posten. Was für eine Menge von Namen! Er kennt alle, weiß genau, was sie gegeben, und was er in die Bücher eingetragen hat. Nur arme Leute, sehr arme Leute! Aber es summirt sich doch! Der Mann im Traumbild schüttelt den Kopf, blättert zurück und beginnt auf’s Neue zu rechnen. Günther rechnet mit ihm. Jetzt springt der Mann im Traumbild auf und geht in der Stube auf und nieder. Günther’s Augen hängen brennend an ihm. Wenn er den Rücken kehrt, will er die Bücher vom Tische reißen. … Aber Jener sitzt schon wieder über den Folianten wie eine Eule, und verfolgt mit Aug’ und Finger Posten für Posten. Der Mann im Traumbild wischt sich den Schweiß von der Stirn, auch Günther ist in Schweiß gebadet. Die Blätter rauschen, aber die stummen Zahlen bleiben unverändert dieselben! Nein! jetzt wachsen sie riesengroß, verzerren sich und greifen wild in einander! Alles um ihn bewegt sich und kreist; nur das Antlitz des geträumten Mannes blickt ihn versteinert an; jetzt öffnet das Schattenwesen seine Lippen und flüstert – nein, es schreit, daß die ganze Stadt aus dem Schlafe fahren und es hören muß:
Gefälscht
! – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    In derselben Nacht brannte in der einen Amtsstube des Kreisgerichts eine einsame Lampe und warf ihre Strahlen auf offene Bücher mit Zahlenreihen. Ueber sie gebeugt saß Scybylski.
    Die Wärme des Ofens war längst verflogen, es war bitter kalt in der Stube, aber den eifrigen Rechner fror nicht, seine Stirne glühte, seine Pulse fieberten. Oft unterbrach er sich und starrte auf die Ziffern, als müßten sie unter seinen flehenden Blicken sich verändern. Aber die Zahlen blieben so, und ihre Summen waren erlogen. Endlich schob er stöhnend die Bücher bei Seite. Noch immer wollte er sich überreden, daß ein Fieber ihm die Klarheit raube und seine Sinne verwirre. Um sich zu sammeln, griff er zu einem Bündel von des Rendanten Acten. Er überlas einige Bogen und verstand Satz für Satz. Da fiel ein offener Brief aus dem Hefte zur Erde. Scybylski hob ihn auf und durchflog seinen Inhalt. Er war kurz:
    „Sehr geehrter Herr Rendant! Umgehend ersuche ich Sie um Erneuerung der von Ihnen gespielten sechs ganzen Loose …“
    Sechs ganze Loose macht jährlich sechshundert Thaler. Ein Mann ohne Vermögen, mit einem Gehalt von siebenhundert Thalern spielt mit sechshundert Thalern … Diese Rechnung war klar. Scybylski entsank das Blatt. „Amanda! arme Amanda!“ rief er und barg zusammenbrechend sein Antlitz in beide Hände. Er weinte.
    Zwar faßte er sich nach einer Weile männlicher und bezwang die Thränen; aber die schmerzlichsten Gedanken zerrissen seine Seele. „Warum,“ rief er, „muß ich diese furchtbare Enthüllung machen und offenbaren? Wodurch habe ich diese Prüfung verschuldet? Ich, der Amanda mehr als Alles auf der Erde liebt, muß ihren Vater als Betrüger entlarven und dem Gerichte überliefern! Und ich sehe keine Rettung, keinen Ausweg! Schweigen darf ich, kann ich nicht! Meine rechte
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