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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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fragte sie mit leiser, schüchterner Stimme:
    „Sie erhielten heute einen Brief aus B…?“
    „Von meinem fürstlichen Gönner,“ antwortete Michaelis.
    „Schreibt er über – über Reinhold?“
    „Wenig, aber Seltsames. Der Pastor will B… verlassen. Er kam hier um seine Versetzung ein.“
    „Es ist doch kein Unglück, was ihn aus seiner Heimath treibt?“ fragte sie hastig.
    „Hm, ich glaube nicht,“ brummte der Alte; „vielleicht sucht er eine neue Braut …“
    „Wer und wo sie sei, Gott segne sie!“ rief Amanda mit einer Stimme, die aus tiefstem Herzen kam. Michaelis zog das edle, entsagende Mädchen zu sich hernieder und küßte ihm die Stirn.
    „Amanda,“ sagte er bewegt, „Du verdienst geliebt zu werden; Amanda – –“
    Ein kurzes Pochen an der Thür unterbrach ihn.
    „Herein!“ rief Michaelis verwundert.
    Die Thür wurde geöffnet – der unerwartete Besuch war Frau Reinhold!
    „Ich bin’s,“ sagte sie kurz.
    Der Arzt, der sich erhoben hatte, murmelte etwas zwischen den Zähnen und lud den Gast mit einer Handbewegung ein, sich niederzulassen. Sie setzte sich. Dann ruhte ihr Blick lang und forschend auf Amanda, die vor Ueberraschung und Schrecken wie versteinert stand. Das Antlitz des Mädchens war verändert; es hatte jetzt seine Geschichte, eine Geschichte von Kummer und Herzeleid.
    „Auch sie hat nicht vergessen!“ murmelte die Greisin und triumphirte, daß ihr Sohn nicht allein leide. Hierauf wandte sie sich zum Doctor.
    „Ihren Diener traf ich auf dem offenen Flur; er wollte mich abweisen; entschuldigen Sie, daß ich ohne seine Erlaubniß eintrat.“
    Michaelis verneigte sich blos.
    „Sie wissen,“ fuhr Jene fort, „daß ich keine Freundin von vielen Worten bin. Also ohne Präambulen zur Sache, die mich hierher geführt! Wir sind doch unter uns?“ setzte sie mit einem Blick aus den verdeckten Alkoven hinzu.
    „Hm, ja – freilich sind wir unter uns.“
    Sie schwieg eine Weile, im Kampf mit ihrem Stolz. Endlich begann sie: „Doctor, seit Sie den Fürsten und unsere Stadt verließen, kam schweres Elend über mich. Anstatt mich einen ruhigen Sonnenuntergang erleben zu lassen, schickt mir der Herr harte, fast zu harte Prüfung und Heimsuchung. Um Ihnen meinen Gram mit Eins zu nennen: Mein Sohn ist mir untreu geworden. Seine Seele hängt an der Tochter des ungetreuen Knechtes, an Jener dort, und ihretwegen und aus Verzweiflung über die Trennung vergißt er seiner Mutter und, was wehevoller ist, vergißt seines Amtes, seiner Gemeinde, seiner Kirche. Ich kann mit Hiob sagen: Man hörete mir zu, und schwiegen und warteten auf meinen Rath. Nun aber lachen meiner, die jünger sind denn ich, welcher Väter ich verachtet hätte, zu stellen unter meine Schafhunde.“
    Sie seufzte tief.
    „Kamen Sie zu uns, um uns dies zu sagen?“ fragte trockenen Tones Michaelis.
    „Hören Sie mich zu Ende! Wider meinen Willen hat Theodor das göttliche Amt in seiner Heimath fremden Händen übergeben, das Haus, wo ich ihn gebar und großzog, verlassen. Er eilte hierher mit dem trotzigen Entschluß, nie mehr in seine Vaterstadt zurückzukehren. Das Schlimmste zu verhüten, gürtete ich mich in meinen alten Tagen noch zur Reise und folgte ihm hierher, an den verhaßten Schauplatz weltlicher Lust und modernen Unglaubens.“
    „Und was belieben Sie das Schlimmste zu nennen?“
    „Doctor, hier steht die Zauberin, die mir meines Sohnes Herz entwendete … brauche ich Ihnen das Unglück, das mein graues Haupt bedroht, noch zu nennen? Gut, hier bin ich! Aug’ in Aug’ stehe ich meinem bösen Schicksal gegenüber und wiederhol’ es: Theodor darf dieses Mädchen nicht freien! er darf es nicht, oder ich sage mich in meinen letzten Lebenstagen noch von meinem einzigen Sohne los, eingedenk der heiligen Schrift. Es ist besser, ein frommes Kind, denn tausend gottlose, und ist bester, ohne Kinder sterben, denn gottlose Kinder haben.“
    „Sollte Ihr Sohn wirklich die Absicht haben?“ begann der Doctor mit schneidender Kälte, allein die aufbrausende Superintendentin unterbrach ihn.
    „Sollte? Mir hat er es nicht gesagt, aber ich weiß es, daß er kommen wird, vielleicht jetzt schon auf dem Wege ist! In seinen Augen las ich seinen Kampf. Und wenn er auch heute noch den Dämon der Leidenschaft niederringt, morgen unterliegt er dennoch, und alle seine Gedanken, alle Wege in dieser verhaßten Stadt führen ihn zu ihr! Ich aber duld’ es nicht; nicht von der Stelle weiche ich, bis mir das Mädchen dort mit
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