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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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stört es nicht. Eine laue, leicht gewürzte Luft wallt durch’s erhellte Zimmer, das nicht so groß und hoch wie jenes auf dem Schloß, dafür aber wohnlicher und einheitlicher ausgestattet ist. Zu den Ecken steigen aus breitblätterigen Pflanzengruppen weiße Statuen empor, Schränke und Spinden sind spiegelblank, und das mannigfache Kunst- und Nutzgerät geordnet und geschmackvoll vertheilt; gestickte Kissen schmücken Sopha und Stühle; allüberall thut sich das mondenlange Walten eines sinnigen Frauenwesens kund. Wachskerzen brennen auf dem Tisch, der Schein der Studirlampe aber fällt auf den alten, unverbesserlichen Schreibtisch, unter dem der Pudel schläft.
    Das Zimmer hat zwei Ausgänge, einer führt auf den Flur, die zweite Thür in eine Flucht von Zimmern. Im Hintergrund der Stube befindet sich ein Alkoven, er ist durch einen schweren, braunen Vorhang verdeckt.
    Geräuschlos trat Amanda aus dem anstoßenden Gemach ein, zögerte an der Schwelle ein Weilchen und betrachtete – Verehrung und Kindesliebe im Blick – den greisen Mann, der ihr ein zweiter Vater ward. Dann trat sie näher und legte sanft die Hand auf seine Schulter. „Darf ich Sie stören?“ fragte sie.
    Es war ein anderer Mensch, der jetzt aus seiner gebückten Haltung sich aufrichtete und zum Mädchen emporsah; die Denkerfalten aus der Stirn glätteten, die Augen belebten sich, und ein wahrer Lichtstrom von Güte und Behagen verjüngte sein Gesicht. „Du störst mich nie, mein Kind,“ sagte er und nahm die Hand, die auf seiner Schulter ruhte, eine Hand, welche nicht immer so [ 68 ] weiß und fein, sondern von harter Arbeit und Frost einst roth und rauh gewesen war. „Kommst Du vom Dome schon zurück?“
    „Ja, Väterchen.“
    „Heute also ist Weihnacht,“ sagte er lächelnd. „Hast Du in unserer Nachbarschaft schon Christbäume brennen sehen?“
    „Es ist noch zu früh.“
    „Ja, ja, es ist noch zu früh.“ Er lächelte wieder. „Später sollst Du auch Deinen Christbaum haben.“
    „Mein guter, guter Vater,“ rief sie und strich über sein emporstehendes, schneeweißes Haar. „Ich habe für Sie eine kleine Arbeit gemacht, aber die lege ich unter den Christbaum.“
    „Ja, wir legen unsere Geschenke unter den Christbaum,“ erwiderte Michaelis und lachte.
    „Väterchen,“ fragte Amanda mit unschuldiger Neugier, „wo haben Sie denn den Weihnachtstisch gerüstet?“
    „St!“ sagte er geheimnißvoll und wies nach dem Alkoven; „dort! – Gehe jetzt und mache das Abendbrod und den Thee zurecht. Notabene, ich habe heute Hunger für Zwei. Währenddessen zünde ich den Christbaum an.“
    „O Vater,“ rief sie gerührt, „ich wollte, ich könnt’ es der ganzen Welt erzählen, wie gut Sie sind!“
    „Und ich wollte, Du könntest Reinhold’s darüber fragen. Die sind anderer Meinung als Du. Er ist ein Egoist, ein gräulicher Egoist, würde der Pastor sagen.“
    „Nein, Er nicht! Er nicht!“ rief Amanda.
    „Aber, liebes Kind, ich war’s; wahrhaftig, ich war der größte Egoist, als ich Dich zu mir nahm! Welch ein trauriger Winter stand mir ohne Dich bevor! Wenn ich jetzt daran denke, wie schrecklich einsam ich früher lebte, fühle ich mit mir selber Mitleid! Als junger Bursch ohne Vermögen mußte ich mit Entbehrung und Niedertracht aller Art kämpfen. Das machte mich frühzeitig alt, herb und verschlossen. Als die Mittel kamen, das Dasein zu genießen, fehlten mir daher Lust und Anregung. Menschenscheu, bis an den Hals zugeknöpft, lebte ich vierzig Jahre nur meinem Beruf. Vormittags Kranke, Nachmittags Kranke; Abends meine Bücher und Hans, den Pudel! Hans ist gut und treu und hat sein genügend Theil Verstand, aber ein Pudel bleibt er doch. Da, in meinem siebenzigsten Jahr, führt mir der Zufall
Dich
entgegen.“
    „Kein Zufall,“ unterbrach ihn Amanda, „mir hat
Gott
Sie gegeben! Ohne Sie schlug das Unglück über mich zusammen. Sie retteten und läuterten mich, wurden mir Vater und Lehrer.“
    „Nicht doch, Amanda! das Unglück war Deine Schule. Es erhob Dich über das Gewöhnliche und über Dich selbst. Ich that Nichts, als daß ich Dir im Kampf die Losung gab: Sei stark und still!“
    „Ach, theuerer Vormund,“ sagte das Mädchen traurig, „ich bin eine schwache Streiterin. Meine Thränen wollen nicht versiechen. … Ach,“ rief sie und barg, plötzlich aufschluchzend, ihr Antlitz in beide Hände, „ich kann, kann Reinhold nicht vergessen!“
    Als sie sich wieder gefaßt und ihre Thränen gestillt hatte,
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