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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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und entgelten lassen, was der Vater verbrach. Und selbst wenn gegen alle Menschenart Keiner ihr Herz verletzen, Niemand sie geringer achten würde, so kann sie doch selber nie mehr lächeln unter Menschen, welche ihr Vater belog und bestahl.
    Und nun sammelt sie die Erinnerungen der letzten zwei Tage. Die Fürstin, der Gerichtsrath und Viele kamen; Doctor Michaelis war Morgens und Abends bei ihr, aber Reinhold’s Stimme hatte sie nicht gehört. O wenn Einer sie trösten konnte, war’s Reinhold, aber er, er allein war nicht erschienen!
    „Das ist mein Urtheil,“ sagte sie und weinte auf’s Neue.
    Horch! die Glocken tönen wieder, und Knabenstimmen singen ein schwermüthig Lied.
    Jetzt rollt der Sarg – – – Plötzlich erhebt sich Amanda; eine goldne Kette, das Geschenk ihres Vaters, nimmt sie sich vom Hals, einen Ring vom Finger und legt sie weg. „Ich habe kein Recht auf dieses Gold. Fürderhin schmuck- und freudelos, arm und elend!“
    Ein Entschluß reifte in ihr, sie eilte hinauf in ihre Kammer und schrieb dort. Als sie damit fertig war, schnürte sie in fliegender Eile das Nothwendigste ihrer Habseligkeiten in ein Päckchen; die seidenen Kleider und hübschen Hüte, ehedem ihr Stolz und ihre Lust, ließ sie unberührt. Den Brief, welchen sie geschrieben, nahm sie hinab in die Wohnstube, um ihn zu Ring, Kette und andern Schmucksachen auf den Tisch zu legen. Dann trat sie in’s Freie.
    „Dies Haus meiden Diebe!“ sagte sie bitter, als sie den Schlüssel in der Thüre stecken ließ.
    Hastig schritt sie nun nach dem Marktplatz. Er lag still und menschenleer; Alle waren auf dem Kirchhof. Nur der Posten vor der Wache bewegte sich hin und her, wie ein Pendel. Am Fenster der Wachtstube saß ein Officier, mit dem Amanda auf dem Fürstenschloß oft getanzt hatte, und las. Sie aber warf nur einen Blick hinüber nach dem Pfarrhause. Die Gardinen waren herabgelassen. „Fahrwohl! Fahrwohl!“ flüsterte das Mädchen unter Thränen und winkte mit der Hand.
    Bald befand sie sich auf der Landstraße. Behend wie ein flüchtiges Reh eilte sie auf dem nassen, glatten Weg dahin, Hügel auf, Hügel ab, durch einsamen, schneebelasteten Forst, an traulichen Dörfern vorüber.
    Der Tag verglühte, und dichte Nebel hüllten die Landschaft ein. Da und dort stahl sich das Heerdfeuer eines stillen Weilers hindurch. Die Straße selbst war wenig belebt, arme Frauen trugen ihre Reisigbündel heimwärts, zuweilen schlich ein Fuhrwerk träg vorbei, oder ein Stück Wild sprang über den Weg waldeinwärts. Amanda schritt ohne Aufenthalt vorwärts, bis endlich bei sinkender Nacht die grünen Laternen und die erleuchtete Halle der Bahnstation K. … ihr entgegenglänzten.
    Ein Stationshaus ist kein gastlich Haus. Wer drinnen Einkehr hält, legt nicht Hut und Wanderstab bei Seite, sondern drückt in Mienen und Gebahren Eile und Fortverlangen aus. Die Gäste kennen sich nicht; sie schreiten verdrießlich auf und nieder oder [ 36 ] [ 49 ] [ 50 ] mir mein Verstand, aber mein kindisches, schwaches, eitles Herz will nicht daran glauben, und wenn ich mir’s vorstelle, wie Sie hereintreten und „Es ist aus“ sagen werden, zittere ich an allen Gliedern und das Blut steigt mir zu Kopf, und kurz, ich fühle und weiß es, daß ich das Nein nicht erwarten und hören und darnach noch weiter fortleben kann! Das Unglück der letzten Tage war zu groß; auch noch den Schlag vor den Augen der kalten Welt hinnehmen zu müssen, das würde mich an Gott verzweifeln lassen, und ich fürchte, ich würde etwas thun, was die Schmach unserer Familie nicht verringerte! Darum will ich lieber davongehen, wo mich und meine Traurigkeit Niemand kennt. Das gutmüthige Herz kann so noch immer hoffen und sich überreden: man holt Dich zu Reinhold zurück! der gute Freund, der Verstand, aber gewinnt Oberhand.
    In der Residenz lebt eine Schwester meiner Mutter; zu der will ich gehen; sie wird mir einstweilen Unterkunft, Arbeit und Verdienst schaffen. Ich lege ihre Adresse bei.
    Und nun verzeihen Sie mir, liebster, bester Doctor. Sei Ihnen noch tausendmal die gute Hand geküßt und Ihnen gedankt! Gott segne Sie und sei mit
    Ihrer Amanda Günther.
    P. S. Warum ich den Schmuck zurücklasse und was Sie damit thun sollen, brauche ich nicht zu sagen. Ach, daß ich
Alles
ersetzen und gut machen könnte! Die Finger wollte ich mir wund arbeiten. Das Geld, das ich zur Reise brauche, nehme ich vom Pathengeschenk der Frau Fürstin – aus meiner Sparbüchse. Das Uebrige verwenden
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