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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Heigel
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Antlitz auf der Schwelle sich zeigte, da war’s dem kranken Mann zu viel – er schlug krampfhaft die Hände in die Luft – aus der Brust riß sich der Strom des gepeitschten Blutes – er röchelte – er sank zurück – wollte noch sprechen – verstummte, verstummte für die Ewigkeit.
    Uud als die schöne, friedselige Nacht mit Mond- und Sternenlicht heraufgezogen war, ging das neue Gerücht durch Häuser und Hütten: der Rendant Günther ist gestorben.
    6.
    Im Haus, das eine Leiche beherbergt, herrscht heilige Scheu. An seiner Thür lagert eine ernste Sphinxgestalt, unlösbare Fragen auf den Lippen. Stumm und gedemüthigt treten wir an ihr vorüber zum Sarg.
    Hätte Günther seine Schande überlebt, wären fürderhin die Freunde von ehedem ihm aus dem Weg gewichen und Aller Augen würden ihn gemieden haben. Da er aber in seinem Zimmer lag, starr, kalt und fahl, schaarten sich Freunde und Bekannte um ihn, und das tiefere Räthsel des Todes drängte die Frage: Wie konnte dieser Mann so handeln? zurück.
    Es war ein lichter Nachmittag, an dem man sich zu Günter’s Begräbniß versammelte. Die Sonne begann den hartgefrorenen Boden zu erweichen, und von den Dächern sprühte der geschmolzene Schnee.
    In dunkler Kleidung, mit gemeßnem Schritt und ernstem Antlitz kamen nach und nach die Städter, die Amtmänner und Landleute der Nachbarschaft vor dem Trauerhause an. Garten und Thüren stauden Jedermann offen, und ein schweigsames Aus- und Eingehen begann. Jeder drängte sich in des Verstorbenen Zimmer, um jenen letzten, scheuen Blick, womit wir fremde Leichen betrachten, auf die regungslos hingestreckte Gestalt zu werfen. Durch’s Fenster scheint freundlich die Sonne herein; trotzdem brennen Kerzen rings um den Sarg. Der Mann auf dem Schragen, der weiland Allbeliebte, ist inmitten der Lebendigen wie das Kerzenlicht am Tage.
    Was dann in Günther’s Zimmer erfolgte. … im Palast und in der Hütte ist es dasselbe düstre, jammervolle, hoffnungslose Bild. Wiederholt warf sich Amanda über den Entseelten; unbekümmert um die Gegenwart so vieler Fremden, dem Schmerz ganz hingegeben, weinte sie laut, rief mit gebrochenen Tönen den Theuern und küßte sein Antlitz, als
müßten
ihre warmen Lippen diesem marmorgewordenen Vaterbild Athem und Leben einhauchen. Immer noch verzögerte sie den letzten Abschiedsblick, immer noch hoffte sie auf ein Wunder, auf ein plötzliches Erwachen und Auferstehen des Todten, bis man sie mit sanfter Gewalt entfernt, und die Hammerschläge, welche auf den Sargdeckel niederfallen, ihr das Bewußtsein rauben. – –
    Als Amanda wieder die Augen aufschlug, war Niemand außer der Todtenfrau im Zimmer. Die ausgelöschten Kerzen rauchten noch, aber der Raum zwischen den Leuchterpaaren war leer. Die Leichenwärterin, durch die Gewohnheit abgestumpft, öffnete die Fenster und legte alle Stühle um, weil sonst – nach dem Aberglauben jener Gegend – „der Leiche im Hause bald eine andere nachfolge“. Dann packte sie das Kirchengeräth zusammen und ging.
    Amanda warf einen wirren Blick um sich. Nur zu bald ward sie an die Wirklichkeit gemahnt. Das Glockengeläute, das durch’s Fenster dringt, begleitet ihren Vater auf dem letzten Wege!
    Athemlos lauschte sie. Ihre Gedanken gingen mit dem Zug hinter dem schwankenden Sarge her. … Jetzt lenkt man von der Heerstraße rechtsab, wo der kurze, gerade Weg zum neuen Kirchhof fuhrt. … Die Glocken verstummen; man steht vor dem offnen Grab.
    Die Rede des Pastors tönt nicht bis zu ihr – es ist ja nicht Reinhold! Ein fremder Prediger gab ihrem Vater das letzte Geleite. Rings still!
    Rings still! In diesen stummen Minuten überdenkt sie zum erstenmal seit dem Unglücksabend ihre trostlose Lage; zum erstenmal ruft sie sich auch die Ereignisse
vor
Günther’s Tod in’s Gedächtniß, und mit seinem ganzen Jammer überfällt sie der Gedanke, daß ihr Vater
entehrt
gestorben ist! Nicht mit reiner Anerkennung und ungetheiltem Lob wird jetzt an seinem Grab gesprochen, sondern in der vieldeutigen Sprache des Mitleids und der Nachsicht. Das Blut schießt Amanda in’s Gesicht: zum erstenmal fühlt sie außer dem Schmerz um den Verlorenen die Last seiner Schuld und seiner Schande.
    Welch ein trostloser Blick in die Zukunft! Wohl stimmt heute noch das Schauspiel des Todes die Herzen weich und rücksichtsvoll, allein wenn sich erst die Erde über dem Sarg geschlossen haben wird, werden Unwille und Lästerung auf’s Neue laut werden. Man wird das Kind fühlen

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