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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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einer Pallas Athene wurde hinterm Bollwerk schweinslederner Folianten hervorgeholt und auf den Schreibtisch gestellt; dort ward eine leere Console mit pompejanischen Schalen und Terracotten geschmückt. Die schwere Standuhr, die antiken Leuchter, die Instrumente und Globen, die hundert Gegenstände, welche der begüterte Mann während eines langen Lebens und auf weiten Reisen gesammelt hatte, erhielten einen besseren Platz und schienen jetzt erst da zu sein. Zuletzt wurde noch das Sopha in eine freiere Lage gerollt, wo es eine Ecke traulich ausfüllte. Für den Tisch davor fand sich eine Decke, und Amanda schuf ihn rasch zum einladendsten, freundlichen Theetisch um. Dann endlich trat sie an’s große Bogenfenster und faltete die schweren, dunkelfarbigen Vorhänge davor so, daß der Sonnenschein hereinströmen konnte und sich golden in die veränderten Räume ergoß.
    Der alte Doctor sah sich eine Weile schweigend im Gemache um. Er fühlte in diesem Augenblick die Einsamkeit, in der er bisher gelebt und sich allen heitern Genüssen entfremdet hatte.
    „Ich danke Ihnen, meine gute Fee,“ sagte er bewegt. „Zum ersten Male ist dem Einsiedler seine Klause behaglich!“
    Nun setzte man sich an den Tisch, um den würzigen Trank zu schlürfen, welcher die Stirn erheitert und die Säfte lebhafter kreisen läßt. Auch des Pudels vergaß man nicht, und bald schmiegte sich dieser dankbar schmeichelnd an seine neue Freundin.
    Michaelis ward im traulichen Gespräch mit seinem jungen Gast selbst verjüngt. Er sprach lebendig und mit offenem Gefühl, was Amanda an dem sonst so wortkargen Gelehrten nicht wenig überraschte. Belehrend und unterhaltend zugleich, wußte er des Mädchens Wißbegierde zu befriedigen, welche durch die wissenschaftlichen Apparate, die vielen alten Holzschnitte und Kupferstiche an den Wänden erregt wurde.
    Als man sich endlich und ungern trennte, hatten wenige Stunden Beide einander näher gebracht, als jahrelanger Umgang es vermocht hätte.
    … Dem Actuarius Scybylski war’s in des Rendanten Stube nach dreistündiger Verhandlung zu heiß geworden. Er trat vor die Hausthür und setzte sich in der kahlen Laube auf den Pfahl, welcher während der Sommerszeit eine Tischplatte trug. Die Laube war in den grünen Monaten mit der wilden Rebe und Rosengesträuch bewachsen. Er gedachte eines Juniabends, an dem Amanda ihm auf dieser Stelle eine Rose gepflückt und scherzend gegeben hatte. Heimlich küßte er damals die Blume, preßte sie zu Hause sorgfältig und trug sie seitdem, in feines Papier geschlagen, in seiner Brieftasche wie einen Talisman.
    Als er vor wenigen Stunden in seinem Portefeuille ein Blatt mit Notizen suchte, die er zu schwerer Beschuldigung eines gewissen Mannes zusammengestellt hatte, fand er es zufällig neben dem Papier mit der Rose stecken. Er stützte das Haupt auf beide Hände und überließ sich unsäglich traurigen Geddanken.
    „Wer wird bei solcher Kälte mit bloßem Kopf im Freien sitzen!“ sagte eine Stimme hinter ihm. Er sprang erschreckt empor.
    „Fräulein Günther!“
    „Ist die geheime Sitzung zu Ende?“
    „Noch nicht – und ich weiß nicht, ob – –“
    [ 20 ] [ 33 ] [ 34 ] Scybylski athmete tief auf. „Ganz richtig,“ sagte er; „ganz richtig, das Testament.“
    „O,“ fuhr sie mit lauter Stimme fort und behielt den Verlegenen im Auge; „das vermuthet die Menge, aber Klügere vermuthen Anderes. Kluge Leute lassen sich nicht täuschen. In des Rendanten Verhältnissen ist ein Testament sehr überflüssig!“
    „Erlauben Sie mir, Frau Superintendentin, ein Testament –“
    „Keine juristischen Flausen, lieber Scybylski! Es handelt sich um kein Testament! Können Sie mir frei in’s Auge blicken und behaupten, daß es diese Angelegenheit betraf?“
    „Welche andere denn?“ preßte der Gefolterte mit neuer Bestürzung heraus.
    „Es könnte sich ja auch …“ sagte die Superintendentin mit stockender Stimme, und plötzlich blitzte ihr ein Gedanke auf, „es könnte sich ja auch um
Unterschlagung
handeln!“
    „Wer sagte Ihnen!?“ rief der erblaßte Schreiber und sprang empor, daß hinter ihm der Stuhl zur Erde fiel.
    „Also doch – Unterschlagung! Der Gedanke, der wahnsinnige Gedanke ist richtig? Rendant Günther – der Ehrenmann – ein Schurke!“
    „Um Himmelswillen! Nein! Gnädige Frau, ich beschwöre – ich bitte, sprechen Sie nicht so laut!“
    „Verhüllen, verleugnen Sie mir nichts mehr! Amanda, das leichtsinnige, thörichte Mädchen ist
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