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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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schuld, daß ich es entdecken mußte. Doch nein –
Gott
hat gewollt, daß ich das Unheil erfahre. Sagen Sie mir Alles! Ich, die künftige Schwiegermutter, habe ein Recht, es zu wissen. Ihr müßt mir’s sagen, oder ich schreie meine Vermuthung in alle Welt hinaus.“
    Scybylski schlug stöhnend die Hände über sein Gesicht zusammen. „Ich dachte mir’s wohl,“ bebte er, „daß es nicht verborgen bleiben könne, daß sich die Schuld rächen werde. O, wenn Sie wüßten, welche Qualen ich unter der Last dieses Geheimnisses litt! Ihnen ist es bekannt, wie ich den Rendanten verehrte, wie ich ihn liebte. Ein Sohn konnte nicht felsenfester auf ihn vertrauen. Wir Alle haben auf ihn vertraut, der Gerichtsrath, der Kreisrichter; wir Alle wurden von ihm getäuscht. Wer mir vor vier Wochen gesagt hätte: der Rendant betrügt! dem hätte ich in’s Gesicht geschlagen, als einem niedrigen, verleumderischen Schurken. Ich nannte mich selbst einen verworrenen Dummkopf, einen leichtfertigen Lügner, als ich nach seiner Erkrankung Günther’s Geschäfte übernahm, seine Bücher revidirte und die Bücher gefälscht fand. Eine ganze Nacht saß ich darüber. Ich zweifelte, ob 5 und 2 sieben sei oder 7 von 22 nur 5 bleiben. Ich nahm sieben Stücke Geld und zählte sie; die vier Species schienen mir keine Wahrheit mehr! … Noch am Morgen wollte ich mich überreden, daß ein Fieber mir die Klarheit geraubt und meine Sinne verwirrt hätte. Ohne ein Wort zu äußern, legte ich die Bücher dem Gerichtsrath vor und erst, als auch er erblaßte, erst da gestand ich mir’s: Hier hat ein Mann das ihm anvertraute Gut und tausend Arme bestohlen. – O, was sind wir Menschen! Dieser Mann, liebenswürdig, gebildet, gutmüthig, kein Verschwender, kein Spieler, kein Müßiggänger: dieser Mann übt sieben Jahre hindurch mit sicherer Hand und raffinirter Schlauheit Betrug! Sieben Jahre hindurch nimmt er das Geld von den Armen und der Gemeinde und giebt es nicht in die Casse; nimmt er aus der Casse Geld und giebt es nicht der Gemeinde, nicht den Armen. Das rücksichtslose Vertrauen seines Vorgesetzten, der aus Herzensgüte und Menschenzuversicht die Strenge seines Amtes umgeht und den Rendanten allein und ohne Aufsicht walten läßt, täuscht er; sieben Jahre lang war Günther ein Fälscher und Dieb, und ohne seine Miene zu ändern, nahm er das Lob und die Achtung einer ganzen Stadt hin!“
    Scybylski schwieg, denn der Schmerz überkam ihn zu mächtig. Dann erhob er sich. „Wir haben,“ sagte er, „trotzdem mit dem Manne Mitleiden fühlen müssen, schon um seines Kindes willen. Der Gerichtsrath und Kreisrichter wollen die fehlende Summe, die sich auf mehrere Tausend Thaler beläuft, theils vom benachbarten Fürsten, theils von der Loge, deren Bruder Günther ist, erheben und das Deficit decken. Niemand soll es erfahren. Günther kann seine Krankheit zum Vorwand nehmen, um seinen Abschied zu erlangen. Gestern theilten wir ihm unsere traurige Entdeckung mit, die er natürlich nicht zu leugnen vermochte. Wir richteten den Verzweiflungsvollen durch das Gelöbniß auf, sein Verbrechen Niemand zu verrathen. Zu unserer eigenen Beruhigung und Sicherstellung unserer Amtsehre ließen wir ihn ein Document unterzeichnen, worin er seine Schuld bekennt. Amanda unterbrach uns, als er eben die Feder ansetzte … das arme, ahnungslose Kind! – Frau Superintendenten, es war meine unselige Schwäche, die Folge meiner Aufregung, daß Sie Mitwisserin wurden! Sie werden aus Barmherzigkeit mit dem Kinde, Sie werden um Ihres eigenen Sohnes willen das Geheimniß gegen Alle, selbst gegen Herrn Reinhold, verschweigen und als ein Geheimniß in’s Grab nehmen!“ –
    Er ging; sie erhob sich nicht bei seinem Weggehen, sondern starrte nach immer auf die Stelle, wo er gesessen und ihr die grausame Wahrheit mitgetheilt hatte. Dann plötzlich fuhr sie empor, eilte zum Crucifix und warf sich auf dem Betpult ihres Sohnes nieder. „Heiliger, gerechter Gott!“ rief sie, die Hände emporstreckend, „Du hast mein Haupt vor Entehrung, hast die Familie, welche Dir treu diente, vor unauslöschlicher Schande bewahrt. Du hast die Entdeckung gewollt, Du hast mich gewarnt – ich darf nicht schweigen! – Ich kann meinen Sohn nicht zum Bruch seines Versprechens zwingen, ohne ihm die Wahrheit zu sagen; er kann sich von seinem Schwur nicht lösen, ohne der Welt die Wahrheit zu sagen. Du willst nicht, Herr, daß Deiner Gerechten Einer um einen Schurken leide. Ich muß den Menschen die
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