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Die Tochter des Fälschers

Die Tochter des Fälschers

Titel: Die Tochter des Fälschers
Autoren: Carl Heigel
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meinen Bekannten drängst.“ Sie bückte sich nach einem Notenhefte und sang, ihre schrille Stimme dämpfend, einige Take. Dann wandte sie sich wieder an Amanda. „Wo hast Du den heiligen Abend im vorigen Jahr zugebracht?“
    Antanda’s Augen schimmerten feucht, als sie antwortete: „Beim Vater –“
    „Hm, hm, kann mir’s denken: Weihnachten, das war ein Tag für Herrn Günther! da konnte er großthun, Einkäufe machen, Geld hinauswerfen!“
    Amanda preßte die Hand auf’s klopfende Herz. „Tante!“ flüsterte sie bittend.
    „Nun, nun, ich will Dir nicht wehe thun. Aber ich bin eine offene, ehrliche Natur, ich nenne die Dinge beim wahren Namen. Und so behaupte ich denn bis an’s Ende meiner Tage, daß Dein Vater ein Verschwender war, der uns Alle in’s Unglück stürzte.“
    „Liebe Tante, schmähen Sie nicht heute meinen Vater, nicht heute, wo mir die Erinnerung an die entschwundene Zeit schier das Herz abdrückt! Wenn Sie ihn gesehen hätten, wie er an diesem Tag den Christbaum schmückte, Abends dann unsere Magd, die armen Nachbarskinder und mich zur Bescheerung führte, wie ihm das Glück zu geben aus allen Zügen strahlte, und wie er über unsere Freude jubelte – Sie würden den armen Todten im Grabe ruhen lassen!“
    Frau Schunke trommelte mit den kurzen, fetten Fingern auf dem Tisch und schob ungeduldig die Spitzenhaube auf’s Ohr, welche immer lose auf ihrem Kopf saß.
    „Dahinter steckt wohl der Vorwurf, daß
ich
Dir keinen Weihnachtsbaum aufputze, daß
ich
meine Nichte und Crethi und Plethi zu keiner Bescheerung einlade?“
    „Aber, Tante –“
    „Schweig! Ich erwartete den Vorwurf, weil ich menschliche Undankbarkeit kenne. Also Kind und Magd und die ganze Nachbarschaft hat er beschenkt? an
mich
, die arme, alleinstehende Frau, an seine Schwägerin hat er nie gedacht; mich lud er nie zu seinem Christabend, für mich hatte er nicht einen rothen Pfennig! Freilich hätte ich vom windigen Scribenten auch nicht Pfennigswerth genommen!“
    Amanda stand rasch auf. „Tante,“ sprach sie zitternd vor Aufregung, „wenn ich im Zimmer bleiben soll, so sprechen Sie nicht also wieder!“
    „In meinen vier Wänden kann ich reden, wie und was ich will, und Du bleibst!“
    „Wenn Sie meinen Vater lästern, nein.“
    Die kleine Frau warb dunkelroth; ihre Haube vom Kopfe [ 51 ] reißend, sprang sie mit einem Satz vom Sopha auf und zur Stelle, wo das Mädchen stand. „
Nein
!“ rief sie und ballte die Faust vor Amanda’s Gesicht. „Also trotzig, verstockt und boshaft? Nun, das ist mir ein Muster von Erziehung! Bravo, Herr Scribent! Freilich, wie sollte Dich der Vater Gehorsam lehren, da er doch selber gegen Gottes Gebot ungehorsam war! Doch ich lästere ihn, ich lüge, ich verleumde! Er hat meine Familie nicht in Schande gebracht, die Cassenbücher nicht gefälscht, er war kein gemeiner, heuchlerischer – –“
    „Halt!“ bebte Amanda und faßte krampfhaft den Arm der Tante. Ihre Augen blitzten im blassen Gesicht, und ihre Stimme klang furchtlos und entschieden. „Ich spreche jetzt das letzte Wort,“ fuhr sie mit fliegender Rede, aber furchtlos fort. „Sie haben kein Recht, den Todten vor seinem Kind zu schänden, denn des Weibes Amt und Vorrecht ist allein
Vergebung
. Was Sie sagten, war ein Diebstahl an meiner Seele, denn die Erfahrung, welche ich durch Sie gewann, die Erfahrung, daß die Welt grausam und niedrig ist, raubt mir das Letzte, was mir noch das Leben des Lebens werth machte, den Glanben an das
Herz
der Menschen! Ich bin nicht undankbar, bei Gott, nicht undankbar, allein diese Stunde trennt mich auf immer von Ihnen! Leben Sie wohl!“
    Das Aussehen des Mädchens war so streng und gebieterisch, daß Frau Schunke es für gut hielt, in Ohnmacht zu fallen. Aber Amanda ging trotzdem. Sie unterrichtete die Magd vom Uebelbefinden der Herrin und verließ die Wohnung.
    Im Hofgebände wohnte eine arme, bejahrte Frau, von welcher Amanda wußte, daß sie ein Gelaß zu vermiethen habe. Zu ihr begab sie sich. Nach kurzer Unterhandlung war Amanda in der kalten, kahlen Stube, ihrem neuen Asyl, allein.
    Das Geräusch der Stadt drang nicht hierher. Die Kammer lag rückwärts; ihr Fenster ging nach einem öden, verschneiten Garten. Hinter dem letztern zogen sich neuangelegte Straßen hin, in denen vereinzelt und spärlich hohe, frischgetünchte Gebäude mit rothen Seitemauern emporstiegen. Rechts war der Fluß.
    Amanda setzte sich aus den einzigen Stuhl, das Haupt kraftlos gesenkt, die Hände
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