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Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga

Titel: Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Der Anblick schnürte ihr schier die Kehle zu, und ihr Herz schlug so hart und schwer, dass sie kaum noch atmen konnte. Wulfgar war nicht ihr Freund. Er war ganz im Gegenteil der Mensch, der vielleicht das größte Unglück und die schlimmste Gefahr in ihr Leben gebracht hatte, und dennoch verspürte sie einen dumpfen Schmerz und etwas wie beginnende Trauer, von der sie wusste, dass sie nur ein Schatten dessen war, was noch kommen würde. Unsicher und mit zitternden Knien trat sie neben Wulfgar, und Erik griff nach ihrem Arm und zog sie mit sanfter Gewalt hinab.
    »Sie ist hier, Wulfgar«, sagte er. »Kara ist hier. Ich bringe dir deine Enkeltochter.« Wulfgar versuchte die Hand zu heben, aber es gelang ihm erst, als Erik ihm dabei half. Die Hand, die er auf Katharinas Unterarm legte, war rau und heiß wie ein Stein, der lange in der Sonne gelegen hatte.
    »Kara«, flüsterte er. »Du … du bist es … wirklich.«
    Katharina wollte antworten (ohne zu wissen was), aber sie konnte es nicht. Ihre Stimme versagte ihr den Dienst, und ihre Augen füllten sich mit brennender Hitze.
    »Zieh … dein Kleid … aus, Kind«, flüsterte Wulfgar. »Lass mich dich … sehen.«
    Im ersten Moment verstand Katharina nicht, was er meinte, dann aber drehte sie sich um und streifte ihr Kleid von der linken Schulter. Wulfgars Hand tastete wie ein heißes Reibeisen über ihren Rücken, und sie konnte sogar durch seine Fingerspitzen hindurch spüren, wie rasend schnell und mühsam sein Herz schlug.
    »Also ist es wahr«, flüsterte er, während seine Fingerspitzen die Umrisse des roten Muttermales unter ihrem linken Schulterblatt nachzeichneten; der Midgardschlange.
    »Du … du bist es … wirklich. Also wird die … die Prophezeiung … am Ende doch noch wahr.«
    Und damit starb er.
    *
    Baron zu Guthenfels hatte angeboten, das ohnehin schwer beschädigte letzte Schiff seiner kleinen Flotte zur Verfügung zu stellen, aber sie alle waren wortlos übereingekommen, dass es nur eine einzige passende Wahl gab. Und so hatten die Fenrir und die Werdandi die Heimdall bis in die Mitte des Flusses geschleppt, und Erik selbst war es gewesen, der das letzte Tau mit einem Axthieb gekappt und abgewartet hatte, bis das führerlose Schiff seinen Drachenkopf in die Strömung drehte und langsam Fahrt aufnahm, bevor er es mit einem einzigen, gut gezielten Pfeil in Brand schoss.
    Jetzt entfernte sich die Heimdall langsam von der kleinen Rheininsel, auf der sie sich versammelt hatten, um von Eriks Bruder, Katharinas Großvater und einem großen Krieger Abschied zu nehmen. Schwarzer Qualm stieg vom Heck des kleinen Drachenbootes auf und vermischte sich mit dem Rauch der immer noch brennenden Wulfiborg am Himmel. Aber dazwischen flackerte schon das erste Rot und Orange, mit dem die Flammen an Reisig und trockenem Geäst leckten, das sie an Deck der Heimadall aufgeschichtet hatten. Wulfgars Leichnam lag auf einem flachen Podest aus mit Öl getränktem Holz in derMitte des Schiffes, das Erik selbst dort aufgebaut hatte, und Katharina erinnerte sich noch immer an die überraschten Blicke nicht nur zahlreicher Krieger, sondern selbst Ansgars und Joruns, als Erik als Einzigem Baron zu Guthenfels erlaubt hatte, ihm dabei zu helfen.
    Während das Schiff immer mehr in den Griff der Strömung geriet und schneller wurde, fraßen sich die Flammen weiter über das Deck und leckten zuerst am Mast und dem straff gespannten Segel empor, bis sie schließlich Wulfgars Scheiterhaufen erreichten, wo sie jäh zu einer grellen Stichflamme explodierten, die fast bis zur anderthalbfachen Höhe des Mastes schoss. Binnen eines einzigen Atemzuges verwandelte sich die Heimdall in einen gewaltigen, schwimmenden Scheiterhaufen, dessen Glut selbst die Sonne am Himmel mühelos überstrahlte.
    Rings um Katharina herum erhob sich ein Chor murmelnder Stimmen, die sie im allerersten Moment für eine erschrockene Reaktion auf die Stichflamme und den grellen Feuerschein hielt, doch die Stimmen hörten nicht auf, und das Murmeln und Raunen nahm sogar an Intensität und Lautstärke zu, bis sie schließlich so etwas wie eine fremdartige, sonderbar schwermütig anmutende Melodie identifizierte und begriff, dass sie Gesang lauschte, den die Wikinger zu Ehren ihres toten Anführers anstimmten. Er wurde lauter und begann sich zugleich zu verändern, schien dabei gleichzeitig trauriger und aufmunternd zu werden, und endlich wurde sie sich des Umstandes bewusst, dass sie tatsächlich die Einzige
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