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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine
Autoren: Pai Kit Fai
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Woher sollte sonst in einem so würdigen Haushalt wie dem Hause Munn eine derartige Aufsässigkeit kommen?
    In der Küche hatte Nummer Eins gegen das unverschämte Shanghaier Miststück Ränke geschmiedet und Zwei und Drei von der Gefahr überzeugt. Am besten wäre es, sie würde samt ihren
kostbaren Füßen verschwinden. In einem Haus, das bereits voll von ehrbaren und verdienstvollen Frauen war, war kein Platz für so ein junges Ding. Sie wollten weder weitere Söhne, mit denen man das Familienvermögen teilen musste, noch irgendjemanden unter ihrem Dach, der die Leidenschaften ihres Ehemanns wecken konnte. Die Mätressen, die er im Dorf behelligte, waren ihnen gut bekannt. Sie durften ihn gern so lange und oft ablenken, wie sie konnten … aber eine Konkubine unter demselben Dach war etwas vollkommen anderes.
    Wenn sie jung genug war, war eine Konkubine imstande, denen die Macht zu entreißen, die sie sich verdient hatten - denjenigen, die dem Herrn des Hauses in schwereren Zeiten zur Seite gestanden und ihm Söhne geboren hatten. Die Frauen hatten an Gift gedacht und heimlich gutes Geld für die todbringendsten Pilze bezahlt - und noch mehr für die Talismane des schwarzen Zauberers, um sie zu verwünschen. Doch das Mädchen aus Shanghai hatte sich als fruchtbar erwiesen und war bereits schwanger, ehe es den dunklen Mächten möglich war, sie aus dem Weg zu schaffen.
    Mit solchen Gedanken trugen sich Eins und Zwei, während Drei sich zurückhielt. Sie versuchte, der einsamen Konkubine kleine Wohltätigkeiten zu erweisen, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Heimlich, sei es durch einen freundlichen Blick oder ein freundliches Wort und eine Berührung in einem unbeobachteten Augenblick, hatten sie einander als verbotene Freundinnen erkannt.
    Yik-Munns Hand zitterte, als er die volle Tasse vor den Schrein stellte. Warum suchten ihn in einem solchen Moment morbide Gedanken heim? Vielleicht stammten sie von seinen Ahnen, die ihn aus einer Reihe von Holz - und Metallrahmen ernst anblickten. Die Spitzen der Räucherstäbchen leuchteten in der Düsterheit kirschrot auf, daneben stand eine Schüssel frischer Pfirsiche, goldener Kumquats und rundlicher Granatäpfel, deren Kerne für viele Söhne garantieren sollten. Er wusste, wie vorsichtig ein Mann mit jungen Söhnen sein musste. Die Laune der Götter konnte so wankelmütig
wie ein Märzwind sein. Als seine Söhne noch klein waren, hatte er sie in Mädchenkleidung gesteckt, um den bösen Geistern vorzugaukeln, sie seien weiblich und somit uninteressant, nicht wert, sich mit ihnen abzugeben.
    Er hatte ihnen Namen wie Ah-Gow - der Hund - und einen Silberdollar gegeben, den sie zum Schutz vor den hungrigen Geistern, die am Himmel umherstreiften und nur darauf warteten, sie sich zu schnappen, immer bei sich tragen sollten. Er hatte jeden seiner Söhne Chang-Hsien anvertraut, dessen Abbild, den Bogen in der Hand, an ihrem Schlafplatz hing, sein himmlischer Pfeil bereit, den Geist des Fegefeuers abzuschießen, der danach trachtete, die kostbare Seele zu verschlingen.
    Die Schwaden der Räucherstäbchen wanden sich zwischen Reihen von Tabletts auf rußverschmierten Borden empor. Stückchen aus Holz, Knochen und Elfenbein trugen die Namen längst Verblichener und der Herrschaft, unter der sie gelebt hatten. Auf dem Altar verglommen mit blauen Flammen Opfergaben aus Papier in einer Messingschale. Kein Wunder, dass seine Gedanken hier zu seiner Schwester wanderten.
    Eines Tages würde sich ihr Bild zu diesen düsteren Gesichtern hinzugesellen, und er betete täglich darum, dass dies bald geschähe. Goo-Mah hatte ausgedient und lebte nur noch, um ihn an sein Versagen zu erinnern. Sie, die drei Ehemänner zu Grabe getragen und deren Reichtümer gemehrt hatte, hatte sein Leben und das Wohl seiner Familie völlig in der Hand. Wenn der Tag kam, an dem ihre Fotografie dieser grimmigen Galerie hinzugefügt wurde, wäre er ein reicher Mann und frei obendrein.
    Er hatte kein schlechtes Gewissen, weil er den Tod seiner Schwester herbeisehnte, doch bei dem Gedanken an die dann anfallenden Bestattungskosten kamen ihm die Tränen: Ginge es nach ihm, wären ihre Überreste in einem leeren Weinbehälter irgendwo in den Gewürzfeldern bestens untergebracht.
    Seit vielen Monden war er bereit, sie auf den Weg zu schicken. Alle Vorbereitungen waren getroffen, und er sah mit Behagen auf
die Papieropfer, die jede abgedunkelte Ecke füllten: eine prächtige Sänfte, die sicherstellen sollte,
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