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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine
Autoren: Pai Kit Fai
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Füßen hätte sie eine Kurtisane sein können, während diejenigen um sie herum monströse Extremitäten hatten, die nur dazu taugten, im Schlamm herumzupaddeln.
    Goo-Mahs Gesicht war faltig wie eine Dörrpflaume und so blass wie Pergament, und ihre Augen waren mit dem blauen Film des grauen Stars überzogen. Als Ausdruck ihrer Würde und zur Erinnerung an ihr großes Ansehen trug sie Schmuckstücke aus Jade und Elfenbein, die sie während ihres Lebens gesammelt hatte: An jedem welken Finger steckten Ringe, die knochigen Armgelenke
waren mit Armbändern beladen, und von ihrem dürren Hals war vor lauter Ketten aus Gold, Silber und Edelsteinen nichts mehr zu sehen. Als Krönung dieser Schatzkammer der Erinnerungen hatte sie ihre schief sitzende Perücke mit einer Reihe von Kämmen und weiteren herabbaumelnden Schmuckgegenständen bestückt.
    Sie verließ sich auf niemanden, am allerwenigsten auf ihren nichtsnutzigen Bruder. Sie mochte ihn nicht, sie respektierte ihn nicht, und sie vertraute ihm nicht. Sie war sich so sicher, dass er nicht genügend Geld für den Sarg ausgeben würde, der sie zum glitzernden Herrenhaus ihrer Vorfahren tragen würde, dass sie sich selbst einen nach ihren Vorstellungen hatte bauen lassen und dabei vom Bett aus jede Einzelheit überwacht hatte. Gehauen aus dem ebenholzfarbenen Herz eines Persimonenbaums, war er, so solide wie die Dschunke eines Kaisers, von Kupfer ummantelt, in das zur Abwehr all des Bösen, das ihren Aufstieg ins Himmelreich verhindern konnte, überall heilige Talismane eingraviert waren.
    Ausgeschlagen mit feinster Seide, mitsamt versteckten Taschen für ihre wertvollsten Schätze, wurde er im Raum neben ihrem Schlafzimmer aufbewahrt. Er wurde von einem schwarzen Seidentuch bedeckt und war von Porzellanbildern der entsprechenden Götter umgeben. Er war viel zu groß, als dass er durch die Tür gepasst und die Treppe hätte hinuntergetragen werden können, wie kräftig die dafür angeheuerten Männer auch sein mochten. Um ihre sterblichen Überreste zum Familienfriedhof unter die große Schuppentanne zu bringen, würde ein Kran zum Einsatz kommen und das Fenster demoliert werden müssen. Sie fand den Gedanken tröstlich, dass sie für ihre Reise von diesem Leben ins nächste nur die allerkürzeste Entfernung würde zurücklegen müssen und dabei allen bis zum letzten Augenblick Aufmerksamkeit und Respekt abnötigen und selbst nach ihrem Tod größtmögliche Schwierigkeiten bereiten würde.
    Unter ihrem Kissen bewahrte sie in einer kleinen, flachen Schachtel die wichtigsten Reichtümer auf, die sie mit in ihr Leben nach dem Tod nehmen wollte: eine Garnitur Verschlusskappen
aus Jade, die so gestaltet waren, dass sie jede ihrer neun Körperöffnungen verschlossen, damit kein herumstreichender Geist auf der Suche nach einem Unterschlupf in ihren Körper einzudringen vermochte. Ausnehmend schön anzusehen und nur aus teuerstem Stein gemeißelt, unterschieden sie sich in Form und Farbe, von Entenknochenweiß und Hammelfettgelb zu Krapprosa, Eisvogelblau und Dattelbraun. Das Paar, das ihre Augen für immer verschließen würde, glänzte wie Kastanien und hatte die Form von Fischen, die mit ewig offenen Augen stets wachsam sein würden. Das prächtigste Stück würde ihr in den Mund gelegt, um ihre Zunge zu halten. Es hatte die Farbe von Morgentau auf einer Chrysantheme und war wie eine Zikade geformt, ein Wesen, das wegen seines langen Aufenthaltes unter der Erde im Larvenstadium eine Wiederauferstehung des Geistes und ewigen Frühling symbolisierte.
    Großtante hatte lang und laut geschimpft, als sie erfuhr, dass sich die neue Konkubine den Wünschen ihres Bruders widersetzte, und hatte verlangt, dass man ihr die Seele aus dem Leib prügle und ihr Nahrung und sämtliche Begünstigungen verwehre, bis sie denjenigen, die sie beherbergten und ihre Schüssel füllten, den Respekt und die Demut erwies, die ihnen gebührte. Wusste dieser ungezogene Fratz denn nicht, wie glücklich er sich schätzen konnte, dass er erwählt worden war, über die Schwelle dieser höchst ehrwürdigen Sippe treten zu dürfen? Ganz gleich, was für ein wertloser Tor ihr Bruder auch sein mochte, er war der älteste Mann in der Familie, und ihm gebührte Ehrerbietung. Jeder, der ihn beleidigte, beleidigte sie, und das konnte sie nicht dulden.
    Pai-Ling war so rebellisch, erklärte Goo-Mah ihrem besorgten Bruder, dass die Frauen im Haus zu dem Schluss gekommen waren, sie sei von einem Dämon besessen.
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