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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine
Autoren: Pai Kit Fai
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Während er tiefer ins Feld hineinwatete, um ihrem Gejammer zu entkommen, und dabei den Tag verfluchte, an dem er nach Shanghai gereist war, spürte er, wie die frischen Kratzer in seinem Gesicht und seinem Hals zu schmerzen begannen.
    Als er mit den Füßen tiefer in die Erde sank und weit genug vom Haus entfernt war, ließ Yik-Munn das Bündel fallen. Er war entnervt von diesem winzigen Geschöpf, von dem er gehofft hatte, er könne sich seiner entledigen, ohne Gewalt anwenden zu müssen - von diesem unheimlichen Willen, der wie eine Seidenraupe stieß und zuckte, um sich seines Kokons zu entledigen. Dies würde das fünfte weibliche Neugeborene werden, das er in den dreißig Jahren begrub, seit er das Land erstanden und mit der Hacke als Kissen unter den Sternen geschlafen hatte.
    Das erste hatte er im Reisfeld ertränkt, doch seine winzigen Knochen waren bei der Frühjahrspflanzung wieder ausgegraben worden, und Enten hatten sich darum gezankt. Das konnte Unglück bringen, aber hier, inmitten des Senffeldes, konnte er tief graben. Er spuckte in seine schwieligen Hände. Dutzendmal grub sich die eiserne Klinge in die nachgiebige Erde.
    Pai-Ling lag erschöpft auf dem Boden neben dem Bett. Sie hörte das ferne Dröhnen von Eisen, das tief in durchnässte Erde gegraben wurde und mit großer Wucht auf Schieferbrocken stieß. Die dumpfen Aufschläge, die durch die offenen Fensterläden zu ihr drangen, wurden lauter. In verzweifelter Hast rappelte sie sich auf und starrte entsetzt aus dem Fenster.

    Das Geräusch war lauter, gesellte sich zu dem Geruch neu gewendeter Sode und dem widerlichen Gestank der Nachterde. Sie sah Yik-Munn, bis zur Hüfte inmitten des Senffeldes stehen und immer wieder das breite, stumpfe Blatt der Hacke schwingen. Der Schrei, der in ihrer Magengrube seinen Anfang nahm, entrang sich ihr in einem so lauten Geheul der Verzweiflung, dass die Tauben von den Dachsparren der Scheune aufflogen und er im ganzen Haus widerhallte. Selbst die schwerhörige Goo-Mah schnalzte verärgert mit der Zunge und pochte angesichts der Ruhestörung mit dem Stock an die Wand.
    In der Küche hoben die Frauen Eins und Zwei den Blick nicht von ihrer Nadelarbeit, aber Drei ließ das Wehklagen ein Stockwerk über ihr zusammenschrecken.
    »Misch dich nicht ein«, warnte Eins leise, ohne einen Nadelstich auszulassen. Zwei, die gleichermaßen versunken in die Gestaltung einer Pfingstrose war, konnte ihr Einverständnis nur durch ein Nicken bekunden. Drei zögerte gerade einmal eine Sekunde, ehe sie die Treppe hinaufhastete. Sie schlug gegen die verschlossene Tür und rief Pai-Lings Namen, bis die Schreie mit einer beängstigenden Plötzlichkeit aufhörten.
    Es dauerte nur Augenblicke, bis die Furche tief genug war. Yik-Munn richtete sich auf. Er war nicht mehr der Jüngste und an solch schwere Arbeit nicht gewöhnt. Er hob die Kürbisflasche mit Wein an die Lippen und leerte sie. Würde er die Hacke einsetzen müssen, um dieses grässliche Winden zu beenden? Ein wenig abwarten würde er noch, ob die Windel nicht doch ihr Werk tat. Augenblicke vergingen. Das Bündel regte sich nicht mehr und war still.
    Yik-Munn blickte sich um. Schuldgefühle verspürte er keine. Seine Nachbarn hatten zur Sicherung des Wohlstands der Familie dasselbe getan, was er nun tun musste. Er ließ den leeren Weinkürbis fallen, der mit einer Fransenkordel um seine Taille hing, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und spuckte seine Bitterkeit in die stinkende Erde.
    Mit vom ungewohnten Schweiß getrübtem Blick nahm er eine
Bewegung wahr, ein plötzliches Schwingen gelber Blumenköpfe und eine Pollenwolke. Es war der Kopf eines Fuchses - gespenstisch weiß, die Ohren wachsam gespitzt, die Augen jadefarben -, der mit seiner schlanken Schnauze Witterung aufnahm. Starr vor Schreck, blickte Yik-Munn wie hypnotisiert in die Augen des geisterhaften Tiers. Dann war es - genauso schnell - wieder verschwunden und ließ nur eine unruhige Brise hinter sich zurück.
    Als hätte Yik-Munn Fieber, brach ihm der Schweiß aus, und er bekam es mit der Angst zu tun. Dass dies eine Fuchsfee war, die das Leben beanspruchte, das er gerade beenden wollte, war für ihn so sicher wie der Herzschlag, der sein Blut antrieb. Zitternd fiel er auf die Knie und versuchte den fest um den Kopf des Neugeborenen gewickelten Stoff zu lockern.
    Das winzige Gesicht war verzerrt und blau verfärbt. Luftblasen erschienen, als Atem geholt wurde, dann entfuhr Yik-Munns Tochter ein
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