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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine
Autoren: Pai Kit Fai
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Ingwerfelds. Und wenn die anderen nach ihr riefen, hockte sie sich mucksmäuschenstill hin.
    Nummer Drei, die bald zehn Jahre jünger war als die anderen Frauen, tat sich schwer, den Tod der unglücklichen Konkubine zu vergessen. Sie hatte die einzelne Laterne beobachtet, die sich wie ein Glühwürmchen ihren Weg durch die Felder gebahnt hatte, um Pai-Ling im Ingwerfeld zu begraben, aber sie sprach nie darüber. Ebenso wenig wie sie auf das ängstliche Geplapper um sie herum hörte.
    »Ihre Dämonenmutter winkt sie zu sich«, jammerte Nummer Zwei, die sich sogar vor ihrem eigenen Schatten fürchtete. »Sie versucht, uns vom Haus fortzulocken. Sie tollt mit Kobolden und Geistern herum.«
    »Unsinn«, schnaubte Nummer Eins, die sich vor Alter und Armut viel mehr fürchtete als vor unfreundlichen Geistern. »Sie ist einfach nur ein dummes, eigensinniges Kind, das man in seine Schranken weisen muss. Ich suche sie und versohle sie, bis sie am liebsten nie mehr die Augen aufmachen würde.«
    Als das Kind eines Tages wieder verschwunden war, hatte sie genau das getan: Sie hatte es aus dem Ingwerfeld durch das dichte Wurzelwerk des Senffelds gezerrt und in den Reisschuppen gesperrt. Aber die Angst vor der Fuchsfee war nicht zu leugnen. Das Kind bekam zu essen, weil Yik-Munn es verlangte, doch das wehleidige Gejammer von Nummer Zwei ließ sich nicht unterbinden,
und die anklagende Schweigsamkeit von Nummer Drei bedrohte seinen Seelenfrieden. Dahin war die Harmonie in seinem Haushalt. Sein Leben hatte sich seit dem Fenstersturz der Konkubine unbestreitbar zum Schlechten gewandt. Im Teehaus, wo er nicht mehr mit einer Konkubine mit Lotusfüßen prahlen konnte, die vom Alter her seine Enkeltochter hätte sein können, stand sein Ansehen in Gefahr.
    Wenn ihm alles zu viel wurde, erholte er sich in der warmen Umarmung der Opiumpfeife, die ihm im Dorf von seiner Mätresse zubereitet wurde. Doch als seine Wintergerste missriet und unter seinem Vieh Krankheiten ausbrachen, begab sich Nummer Eins auf Knien zur Schwester ihres Mannes und überzeugte sie davon, dass dieses Unglück sie alle ruinieren würde, wenn das Kind weiter unter ihrem Dach blieb. Die große Goo-Mah war Expertin in spirituellen Fragen. Sie zündete ein großes Bündel Räucherstäbchen für Chang-Hsien an, den Gott der Kinder, und sprach mit ihm über die Schwierigkeiten im Hause Munn. Die Schlussfolgerung sei eindeutig, behauptete sie. »Das irdische Chi, die Lebenskraft der Mutter, ist in das Kind gefahren und sinnt auf Rache. Das Kind darf keine weitere Nacht unter dem Dach unseres Gutes verbringen«, verkündete Goo-Mah in einem Ton, der Nummer Zwei dazu veranlasste, ins Bett zu gehen und sich unter den Decken zu verstecken. »Das Kind muss zum Kinderturm vor dem Dorf Zehn Weiden gebracht werden, bevor noch einmal die Sonne untergeht, und den Wildhunden und Raben überlassen werden. Chang-Hsien hat gesprochen.«
    Die Frauen beobachteten vom Hof und die Witwe von ihrem Fenster aus, wie Yik-Munn das schlafende Kind erst in einen Korb und dann auf einen Karren legte und den Esel durch die Reisfelder zur Straße führte. Niemand sprach über den Kinderturm, der eine Meile außerhalb der seidewebenden Gemeinde von Zehn Weiden lag. Nur die, die zu bitterarm waren, um ein Kind aufzuziehen, oder mit einem unvollkommenen Kind geschlagen waren, suchten ihn mitten in der Nacht auf.

    Eine Stunde verging, ehe Yik-Munn den gespenstischen Umriss des in den Nachtwind gebeugten Turms ausmachte, der sich gegen einen ruhelosen Himmel abzeichnete und dessen Steinmauern immer mal wieder kurz vom Mondlicht erhellt wurden. Auf dem langen Weg hatte er Zeit zum Nachdenken gehabt, Zeit, bei jedem Holpern des Karrens in sich zu gehen. Am Schrein am Wegrand hielt er an, einem Meilenstein auf dem Weg zum Kinderturm, der errichtet worden war, damit man dort ein abschließendes Gebet sprechen oder jenen, die sich unsicher waren, eine letzte Chance geben konnte umzukehren. Dort verbrannte er das Gemälde eines kleinen Mädchens, das auf dem Rücken eines weißen Kranichs saß, um ihm eine sichere Reise in die Vergessenheit zu geben. Brennende Teile davon wurden vom Wind fortgetragen, als er seinen Weg zum Turm fortsetzte und mit dem Karren dort vor dem schartigen Steintor anhielt.
    Er ließ den Karren auf der Straße stehen und näherte sich dem Kinderturm zu Fuß. Er ging nicht ohne Furcht auf diesen traurigen und einsamen Ort zu. Es hieß, die Geister der kleinen Kinder, die man
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