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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine
Autoren: Pai Kit Fai
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Gewicht, Qualität und Preis besprochen wurden, während man Unmengen von heißem Reistee trank und eine Kleinigkeit aß.
    An der hohen Decke angebrachte Ventilatoren bewegten die muffige Luft mit breiten, geräuschlosen Schwüngen. Auf dem Boden standen reihenweise Kisten, große Schatullen und kleine Schubladen und säumten die Wände, jede gefüllt mit den teuren Kräutern und Gewürzen, die Yik-Munn reich gemacht hatten. Gemahlen und pulverisiert, zerkleinert und zerschnitten, manche in speziellen Gefäßen und offenen Blechdosen, andere wurden wegen ihrer Lichtempfindlichkeit im Dunkeln aufbewahrt. Hier wurden Aromaproben herumgereicht, es wurde viel geschnuppert, von kleinen Silberlöffeln probiert, und die Qualität der Gewürze wurde so sorgfältig untersucht, als handle es sich um eine Sammlung Edelsteine.
    Er saß in einem prachtvollen Sessel, in dessen Armlehnen, Beine und breite Rückenlehne Pfirsiche und Granatäpfel geschnitzt waren, die Früchte der Langlebigkeit. Yik-Munn fühlte sich darauf wie ein Kaiser. Seine großen, in Pantoffeln steckenden Füße ruhten auf
einer einzelnen Stufe, die denjenigen, der auf diesem prachtvollen Stuhl saß, mindestens einen Kopf über die vor ihm Sitzenden hob. Eine eisvogelblaue Robe reichte ihm vom Hals bis zu seinen weißbestrumpften Fußknöcheln. Die Knie weit auseinander, auf jedes fest eine Hand gestützt, bemühte er sich um ein Lächeln, wobei seine perfekten Zähne so weiß wie eine Porzellantasse aufblitzten.
    Yik-Munn ließ seine Tochter, deren Kopf gerade mal an seine Knie reichte, stehen.
    Frauen war das Betreten seiner Räume nur zum Servieren von Essen und Getränken gestattet. Die verweilenden Düfte großartiger Festessen vermischten sich mit den irdischeren Gerüchen von Muskatnuss, Nelken und Zimt. Nie war die Fuchsfee ihm so nahe gewesen, und sie war sich bis zu diesem Augenblick nie ganz sicher gewesen, wer er war.
    »Ich bin dein Vater. Heute wirst du fünf Jahre alt, alt genug, dass ich dir sage, wo dein Platz in meinem Haushalt ist. Du bist ein Mädchen, aber ich habe beschlossen, deine Schale drei weitere Jahre zu füllen. An deinem achten Geburtstag kommst du zu einem flussaufwärts wohnenden Großonkel und erlernst den Seidenhandel.« Er holte ein Fläschchen aus seinem Ärmel hervor, klopfte Schnupftabak auf seinen Handrücken, sog ihn fest ein und kniff sich in die Nase. »Die paar Münzen, die ich für dich bekommen werde, werden deine Schulden bei mir nie aufwiegen. Also wirst du sie mir mit Gehorsamkeit und Respekt vergelten. Wenn du in diesem Haus keine Schwierigkeiten mehr machst, wirst du nicht geschlagen. Deinen Reis wirst du dir allerdings verdienen müssen.« Er griff in den Ärmel seiner Robe und zog ein flaches, viereckiges Päckchen hervor. »Ich habe etwas für dich.« Li-Xia nahm es mit einer Verbeugung entgegen, die so tief war, dass sie beinahe hingefallen wäre.
    »Du wirst es mir mit Gehorsamkeit und Respekt danken, aber gib gut Acht; sie ist kostbar und darf nicht zerbrechen.« Sie nahm das Geschenk vorsichtig aus seiner roten Papierverpackung, enthüllte eine farbige Kachel, die hart und kalt, aber recht hübsch war
und auf der ein einziges chinesisches Wort stand. Li-Xia besah sie sich, fuhr mit den Fingerspitzen die glänzenden Buchstaben nach, drehte sie herum. Es war das erste Geschenk, das sie je erhalten hatte.
    »Das ist eine sehr hübsche Kachel, und sie gefällt mir sehr. Aber ich kann nicht lesen, was darauf steht.«
    »Da steht ›Glück‹ darauf. Nun nimm sie und sei glücklich. Und mach weder mich noch deine freundlichen Tanten wütend.«
    »Aber ich kann es nicht selber lesen! Bringst du mir das Lesen bei?« Die Worte sprudelten heraus, ehe sie sich’s versah.
    Yik-Munns Gesicht verfinsterte sich. Sie spürte, wie ihr Lächeln erlosch, als ihr die Glückskachel aus den Händen fiel und auf dem harten Boden in viele Teile entzweibrach. Den Widerhall des Klirrens hörte man nicht nur im Raum, sondern auch außerhalb der geöffneten Fenster. Li-Xia kam es vor, als bebte der Boden unter ihren Füßen. Ihr Vater sprang auf, so groß wie ein Riese. Seine Stimme war laut vor Zorn und Entsetzen.
    Siehst du? Selbst die Götter schämen sich deiner. Sie haben dir die Glückskachel aus den Händen geschlagen. Du bist ein nutzloses Mädchen, eine Enttäuschung für mich und die Ahnen. Du musst deinen Platz in diesem Haus und der Welt kennen. Versuche nicht, dich darüber erheben zu wollen. Bücher gehen dich
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