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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition)
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Wolfgang Leonhard
     
    Zur Einführung
     
     
    Ein Gott, der keiner war hat einen außerordentlich großen Eindruck auf mich gemacht. Ich las, nein, verschlang das Buch kurz nach seinem Erscheinen Ende 1950, unmittelbar nachdem ich nach anderthalb Jahren Jugoslawien in den Westen Deutschlands gekommen war: Die Anthologie gehörte – nach George Orwells 1984 – zu den ersten Büchern, die ich in meinem neuen Leben im Westen las.
    Nach meinem Bruch mit dem Stalinismus berührten mich die Schilderungen der sechs Autoren natürlich sehr. Ich suchte damals nach einer eigenen Alternative und durchdachte kritisch viele Dinge, die mir vorher als selbstverständlich richtig erschienen waren. Da für meine Abkehr vom Sowjet-Kommunismus der Bruch Jugoslawiens mit Moskau im Sommer 1948 und die ersten Schritte Titos auf einem neuen Weg zum Sozialismus entscheidend gewesen waren, glaubte ich allerdings zunächst, mich in einer völlig anderen Situation zu befinden als die Autoren. Nach der Lektüre von Ein Gott, der keiner war erkannte ich aber, daß die grundsätzlichen Probleme gleich oder zumindest sehr ähnlich geblieben waren. Auch bei diesen Autoren verdichteten sich die kritischen Gedanken zu oppositionellen Ansichten. Auslöser waren zwar andere historische Ereignisse: die feindselige Kampagne der Kommunisten gegen die Sozialdemokratie während der Weimarer Republik, die den Widerstand gegen den drohenden Nationalsozialismus schwächte, die Niederlage nach Hitlers Machtantritt 1933, die verspätete und teilweise inkonsequente Volksfrontpolitik, die bedenkliche Entwicklung der Sowjetunion, vor allem die Schauprozesse und Massenverhaftungen während der Großen Säuberung von 1936-38 und schließlich das Entsetzen nach dem Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939. Ihre Schilderungen zeigten sehr eindringlich, daß es vor meinem eigenen Bruch bereits ähnliche Situationen und Probleme gegeben hatte, sie bestätigten, ergänzten und beeinflußten außerordentlich eindrucksvoll Erlebnisse, die ich nun in einen größeren Zusammenhang einordnen konnte.
    Auch ich hatte immer wieder auf eine entscheidende Wendung der sowjetischen Politik gehofft und war enttäuscht worden. Von 1948 bis etwa Mitte der 50er Jahre setzte ich zunächst auf Jugoslawien, das aus dem Teufelskreis des Stalinismus herausbrach. Im März 1953 starb Stalin, doch die Ulbricht-Führung würgte die Entstalinisierung in der DDR brutal ab. Der Volksaufstand im Juni 1953 in der DDR, Chruschtschows Abrechnung mit Stalin auf dem 20. Sowjetischen Parteitag im Februar 1956 und die anschließende ungarische Revolution im Herbst 1956 – immer wieder gab es Hoffnung, immer wie – der Enttäuschung. Zeitversetzt machte ich ähnliche Erfahrungen wie Koestler, Gide oder Silone.
    Als Ein Gott, der keiner war 1950 erschien, kannte ich noch keinen der Autoren persönlich, hatte aber einige ihrer Schriften gelesen. Am frühesten lernte ich Ignazio Silone (1900-1978) durch sein Buch Fontamara kennen, das ich 1935 als 14jähriger in Schweden las. Ein Jahr später – ich lebte seit dem Sommer 1935 bereits in der Sowjetunion – las ich anläßlich seines zunächst hochpropagierten Besuches in der Sowjetunion fast täglich über André Gide (1869-1951). Als er unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris sein kritisches Buch veröffentlichte, erlebte ich in Moskau die hemmungslose Beschimpfungskampagne, ohne mir natürlich ein Bild davon machen zu können, was Gide eigentlich geschrieben hatte. Mit Arthur Koestlers (1905-1983) Werken kam ich erstmals 1947 – damals als höherer Funktionär der SED – in Berührung. Ich wohnte in dieser Zeit mit Waldemar Schmidt zusammen, der damals Erster Sekretär der Bezirksleitung Berlin der SED war. Ich las Koestlers Sonnenfinsternis (Darkness at noon) in unserer gemeinsamen Wohnung in Pankow (allerdings ohne Schmidt das Buch zu zeigen) und war sofort tief beeindruckt, denn ich spürte, wie genau Koestler die innere Situation der damaligen kommunistischen Bewegung kannte und erkannte. Nun, 1950, in seinem Beitrag in Ein Gott, der keiner war , erfuhr ich, daß wir uns auch hätten persönlich treffen können, da Koestler Ende der 20er Jahre in der Künstlerkolonie am Breitenbachplatz in Berlin lebte, genau dort, wo ich, damals allerdings erst 10-11 Jahre alt, mit meiner Mutter wohnte. Auch von Louis Fischer (1896-1970) hörte ich bereits während meiner Zeit in der Sowjetunion, aber erst durch seinen Beitrag in Ein Gott, der keiner war kam
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