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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition)
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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müssen; doch die meisten von allen denen, die heute so weise und voller Verachtung auftreten, nachdem die Dinge geschehen sind, waren entweder in Beziehung auf die russische Revolution so blind, wie Edmund Burke zu seiner Zeit blind gewesen war, oder sie sind nur mit dem Pendel hin und her geschwankt – mal haben sie verdammt, dann gepriesen und dann wieder verdammt, so wie es eben den Geboten der staatlichen Politik entsprach. Diese sechs autobiographischen Arbeiten sollten zum mindesten die Gefahren offenbaren, die in einem leichtfertigen Antikommunismus aus selbstsüchtiger Opportunität liegen. Daß der Kommunismus als eine Lebensform, wenn auch nur wenige Jahre lang, die tief christliche Persönlichkeit eines Silone gefangennehmen konnte und Individualisten vom Schlage eines Gide und Koestler angezogen hat, offenbart eine schreckliche Unzulänglichkeit innerhalb der europäischen Demokratie. Daß Richard Wright als ein streitbarer Negerschriftsteller in Chicago nahezu selbstverständlich in die Kommunistische Partei hineinging, ist an sich eine Anklage gegen die amerikanische Lebensform. Louis Fischer andererseits repräsentiert jene hervorragende Gruppe britischer und amerikanischer Auslandskorrespondenten, die ihren Glauben nicht so sehr aus Achtung vor dem Kommunismus in Rußland setzten, wie aus Enttäuschung über die westliche Demokratie und – später aus Ekel über die Beschwichtigungspolitik. Stephen Spender, der englische Dichter, wurde sehr stark aus dem gleichen Motiv dazu getrieben. Ihm erschien der spanische Bürgerkrieg, wie beinahe allen seinen Zeitgenossen, als der Prüfstein der Weltpolitik. Er war die Ursache für sein kurzes Verweilen in der Partei und zu einem späteren Zeitpunkt für seine Ablehnung.
    Das einzige Bindeglied zwischen diesen sechs verschiedenen Persönlichkeiten ist dies, daß sie alle – nach qualvollen Gewissenskämpfen – den Kommunismus erwählten, weil sie den Glauben an die Demokratie verloren hatten und bereit waren, „bourgeoise Freiheiten" hinzuopfern, um den Faschismus zu bekämpfen. Ihre Bekehrung wurzelte in Wirklichkeit in der Verzweiflung – in der Verzweiflung an den westlichen Werten. Rückblickend ist es recht leicht, zu sehen, daß diese Verzweiflung hysterisch war. Der Faschismus wurde überwunden, ohne daß man alle die bürgerlichen Freiheiten preisgab, wie es der Kommunismus verlangt. Doch wie konnte Silone dies in den Jahren nach 1920 voraussehen, wo die Demokratien Mussolini hofierten und allein die Kommunisten in Italien eine ernsthafte Widerstandsbewegung organisierten? Waren Gide und Koestler zu der Zeit, als sie Kommunisten wurden, so offensichtlich im Unrecht, weil sie das Empfinden hatten, daß die deutsche und die französische Demokratie korrupt seien und sich dem Faschismus ausliefern würden? Teilweise liegt der Wert dieses Buches in der Tatsache, daß es unsere Erinnerungen in so unbequemer Weise wachrüttelt, und daß es uns an die schreckliche Verlassenheit erinnert, die die „vorzeitigen Anti-Faschisten" erlebten, nämlich jene Männer und Frauen, die den Faschismus begriffen und versuchten, ihn zu bekämpfen, ehe er ein ins Gewicht fallender Faktor wurde. Es war jene Verlassenheit, die ihre Gemüter für den Appell des Kommunismus öffnete.
    Dieser Appell wurde in besonderer Stärke von jenen empfunden, die zu anständig waren, um den vorherrschenden Glauben an den automatisch weitergehenden Fortschritt, eine ständige Ausbreitung des Kapitalismus und die Beseitigung der Gewaltpolitik zu akzeptieren. Sie sahen, daß der Coolidgeismus in Amerika, der Baldwinismus und MacDonaldismus in England und der „kollektive Pazifismus" des Völkerbundes faule intellektuelle Truggebilde waren, die die meisten von uns vorsichtigen, anständigen Demokraten blind für die Katastrophe machten, in die wir hineintrieben. Weil sie eine Vorahnung von der Katastrophe hatten, hielten sie Ausschau nach einer Philosophie, mittels derer sie sie analysieren und überwinden konnten – und viele von ihnen fanden, was sie suchten, im Marxismus.
    Die Anziehungskraft des Marxismus auf die Intellektuellen bestand darin, daß er die liberalen Irrtümer vernichtete – die in Wirklichkeit auch Irrtümer waren. Er lehrte die bittere Wahrheit, daß der Fortschritt nicht automatisch weitergeht, daß jähe Konjunktur und Wirtschaftskrise wesentliche Bestandteile des Kapitalismus sind, daß soziale Ungerechtigkeit und rassische Diskriminierung nicht einfach durch
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