Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition)
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
Vom Netzwerk:
Sein Prototyp ist Prometheus, der das Feuer aus dem Himmel stahl und ewig an dem Kaukasischen Felsen hängt, wo ihm der Adler die Leber aushackt, weil er sich weigerte das Recht preiszugeben, seinen Mitmenschen bei ihrem intellektuellen Bemühen zu helfen. Ich frage mich manchmal selber, warum ich als sehr junger Mensch zu der Zeit, als ich mit Willi Münzenberg, dem kommunistischen Führer, in Berlin zusammen war, nie die leiseste Versuchung gespürt habe, seine Einladung, mit ihm nach Rußland zu gehen, anzunehmen. Ich war gefangengenommen von seiner bemerkenswerten Persönlichkeit – wie sie Koestler in diesem Buche beschreibt —, und der Marxismus schien die Vervollständigung der platonischen politischen Philosophie zu sein, der meine Hauptstudien galten. Ich war in hochmütiger Weise sicher, daß die deutsche Sozialdemokratie – es war im Sommer 1931 – vor den Nazis zusammenbrechen werde, und daß ein Krieg unvermeidlich war, wenn Hitler an die Macht gekommen sei. Warum also fühlte ich keinen inneren Widerhall auf den Appell der Kommunisten? Die Antwort darauf ist, dessen bin ich ziemlich sicher, daß es aus reiner nonkonformistischer Halsstarrigkeit oder, wenn man das vorzieht, aus Stolz geschah. Für mich gab es keinen Papst, weder einen geistlichen noch einen weltlichen. Das gleiche Motiv kann man bei Stephen Spender wirksam beobachten, als er gleich nach seinem Eintritt in die Partei einen „von der Linie abweichenden" Artikel im „Daily Worker" schrieb, und zwar auch aus reiner Halsstarrigkeit. Ich glaube gern, daß dies Erlebnis mit dem Kommunismus ebenso typisch britisch ist wie jenes von Silone geschilderte mit dem Genossen, dessen unschuldige Reaktion auf eine bewußte Lüge ein Gelächter verursachte, das durch den gesamten Kreml dröhnte. Als Nation bringen wir mehr als unseren Anteil an Ketzern hervor, denn wir haben mehr als unser rechtmäßiges Soll an gewissenhafter Auflehnung gegen die Unfehlbarkeit bei der Geburt mitbekommen. Schließlich war Heinrich VIII. zu seiner Zeit der Prototyp des Titoismus.
    Aber kehren wir nach Europa zurück. Eine der seltsamsten Offenbarungen dieser sechs Autobiographien ist die Haltung der professionellen Kommunisten dem intellektuellen Konvertiten gegenüber. Sie mißbilligen und beargwöhnen ihn nicht nur, sondern sie unterwerfen ihn einer dauernden und bewußten geistigen Folter. Im Anfang bestärkte diese Behandlung nur seinen Glauben und erhöhte sein Demutsgefühl gegenüber dem geborenen Proletarier. Irgendwie mußte er durch geistiges Training die Eigenschaften erlangen, die, wie er sich gerne einbildet; der Arbeiter von Natur aus besitzt. Aber es ist klar, daß der intellektuelle Konvertit, sobald er anfing mehr über die Verhältnisse in Rußland zu erfahren, seine Stimmung änderte. Demut wurde ersetzt, wie Silone es sehr klar schildert, durch einen Glauben (für den Marx, der eine tiefe Verachtung für die Slawen empfand, viel an Einfluß einsetzte), daß der Westen dem Osten und der Mittelstand dem Proletariat die Erleuchtung zu bringen habe. Dieser Glaube war sowohl der Anfang der Enttäuschung wie eine Entschuldigung für das Verbleiben in der Partei. Die Enttäuschung trat ein, weil der Hauptanlaß nur Bekehrung das Verzweifeln an der westlichen Zivilisation gewesen war, von der man nun fand, daß sie Werte enthalte, die wesentlich zur Erlösung des russischen Kommunismus waren; eine Entschuldigung war es, weil man behaupten konnte, daß, wenn der westliche Einfluß sich zurückzöge, die östliche Brutalität aus der Verteidigung der menschlichen Freiheit eine abscheuliche Tyrannei machen würde.
    Hier war ein neuer und sogar noch schrecklicherer Gewissenskonflikt, den André Gide durch seine klassische Feststellung von der Sache des Westens gegen den russischen Kommunismus löste. [1]
    Gides Rückzug hätte in den letzten Dreißigerjahren den von Tausenden anderer Intellektueller im Gefolge gehabt, wenn es nicht den spanischen Bürgerkrieg und die westliche Politik der Nichteinmischung gegeben hätte. Die Tragik des spanischen Krieges und der Feldzug für eine Volksfront gegen den Faschismus brachte eine gesamte neue Generation junger Leute aus dem Westen entweder in die kommunistische Partei oder doch in engste Zusammenarbeit mit ihr und verzögerte den Rückzug vieler Leute, die bereits durch ihre Erlebnisse entsetzt worden waren. Jetzt den Kommunismus zu verdammen, schien gleichbedeutend mit einer Unterstützung Hitlers und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher