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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition)
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Sowjetunion und des Kommunismus. Dies wurde von den kommunistischen Parteien der westeuropäischen Länder verbreitet, tatsächlich aber handelte es sich um eine von der Moskauer Zentrale gesteuerte Kampagne. Dort hatte man sofort erkannt, daß dieses Buch außerordentlich gefährlich war, und es gab nur eine Möglichkeit zu reagieren: Die Kritiker mußten in die rechte Ecke gestellt werden. Leider gelang dies, da die kommunistischen Parteien damals noch fast alle Moskau folgten. Auf Anweisung von oben waren die Autoren von Ein Gott, der keiner war als Rechtsnationalisten und Verteidiger des Kapitalismus in die rechte Ecke gedrängt worden, und damit schien die Gefahr gebannt: Gedanken kritischer Linker hätten durchaus einen Denk- und sogar Oppositionsprozeß in der kommunistischen Bewegung fördern können, rechte Auffassungen dagegen waren für den Meinungsbildungsprozeß in der kommunistischen Weltbewegung unerheblich.
    Das hatte ich in den Jahren 1942-1943 in der Kominternschule selbst erlebt. Dort durfte, ja, sollte man zum Beispiel sämtliche Nazi-Schriften und -Erklärungen studieren, sogar mitten im Krieg. Wir lasen alle Reden Hitlers, Goebbels, Himmlers und Görings sowie die Kommentare Fritsches – niemand mußte Angst haben, daß uns diese Texte beeinflussen könnten. In den geheimen Informationsbulletins, die täglich erschienen, konnten wir auch die Erklärungen bürgerlich-demokratischer Parteien, Politiker, Staatsmänner, Enzykliken des Papstes völlig ungehindert lesen. Bücher von Dissidenten aber waren strengstens verboten, keinen Satz, kein Wort von Trotzki, Bucharin, Paul Levi, Ruth Fischer, Ernst Reuter, Heinrich Brandler oder August Thalheimer durften wir lesen. Diese Schriften hätten uns durchaus interessieren können, wir hätten ihre Denkweise und Sprache verstanden, und damit hätte die Gefahr einer Ausbreitung oppositionellen Denkens bestanden.
     
    Ein Gott, der keiner war war also für die sowjetische Führung deshalb so gefährlich, weil es sich bei den Autoren eindeutig um Personen handelte, die überzeugt für die kommunistische Bewegung tätig gewesen waren. Sie konnten die Verhältnisse von innen schildern, stellten den Übergang von der Kritik zur Opposition und schließlich zum Bruch eindrucksvoll und nachvollziehbar dar und schlugen sich nach dem Bruch nicht auf die rechte Seite, sondern brachten im Gegenteil einen eigenen, unabhängigen linken Standpunkt zum Ausdruck. Genau darin lag für Moskau die größte Gefahr. Daß die Autoren angeblich haßerfüllte „Kalte Krieger” gewesen seien, stimmte mit der Realität nachweislich nicht überein.
    Ignazio Silone war sein ganzes Leben ein überzeugter Linker, der in seine sozialistische Zielsetzung freiheitliche Gedanken einbaute. In seinem Beitrag für Ein Gott, der keiner war kam er zu dem Schluß: „Mein Glaube an den Sozialismus aber, von dem wohl mein ganzes Leben Zeugnis ablegt, ist mir lebendiger denn je." Allerdings, so meinte Silone, sei später ein intuitives Gefühl für die Würde des Menschen hinzugekommen und die Erkenntnis, man müsse zwischen Zielsetzung und Bewegung auf der einen und den Doktrinen auf der anderen Seite unterscheiden: „Für mich ist die sozialistische Politik nicht an irgendeine bestimmte Theorie gebunden, sondern an einen Glauben. Je wissenschaftlicher sich die sozialistischen Theorien gebärden, umso vergänglicher sind sie; sozialistische Werte aber bleiben beständig." Durch die Zersplitterung und Grabenkämpfe innerhalb der italienischen Linken enttäuscht und verbittert, zog sich Silone in den 50er Jahren von der aktiven Beteiligung an der institutionellen Politik zurück und definierte sich als ,Sozialisten ohne Partei und Christen ohne Kirche". 15 Jahre nach seiner Mitwirkung an dem Buch Ein Gott, der keiner war kam er in seinen bedeutsamen und einfühlsamen Lebenserinnerungen unter dem Titel Notausgang (1965) noch einmal auf seinen Lebensweg zurück: ,Die Trennung vom Kommunismus war für mich ein sehr trauriges Erlebnis, und ich komme aus einem Lande, wo man länger Trauer trägt, als anderswo." Ignazio Silone verstarb 1978 und wurde 1990, 12 Jahre nach seinem Tod, von den italienischen Kommunisten rehabilitiert.
    Arthur Koestler kam nach seinem Beitrag für die Anthologie nur noch ein einziges Mal in seinem Leben auf die Problematik von Kommunisten und Ex-Kommunisten zurück, und zwar in seinem 1951 erschienenen Buch Gottes Thron steht leer (The Age of Longing) . Später widmete sich
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