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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg
Autoren: Kirsten Fuchs
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voll, da habe ich den Müll drei Blöcke weiter weggeworfen, weit weg. Dann bin ich schlafen gegangen, fast schon morgens.
    Ich muss viel machen, fast mittags. Es gibt Sachen, die ich wichtig finde und Sachen, die ich nicht wichtig finde. Sachen, die ich nicht wichtig finde, muss ich knapp machen, dann mache ich sie auch. Peter sagt, dass ich so was gleich erledigen soll, weil Erledigungen wie plärrende Kinder sind: sie wollen Taschengeld, um Eis in Ufoform zu kaufen und sie hängen sich an meine Beine, wenn ich weggehen will. Vor allem Ämter wären wie Kinder, sagt Peter, die lautesten, die hässlichsten, die die zu verspielt sind, um zu bemerken, dass ihre Nase seit Stunden läuft und das ganze Leben salzig schmeckt, ja. Ich habe gar nichts gegen plärrende Kinder, die können sich an mich hängen und mich anfassen. Wenn Peter gesagt hätte, Kinder wären wie Ämter, dann würde ich keine Kinder haben wollen, nein.
    Und dann gibt es Sachen, die ich wichtig finde. Es gibt männliche und weibliche Zahlen und helle und dunkle und das hat nichts damit zu tun, ob sie gerade oder ungerade sind, die sieben. Meine Telefonnummer ist dunkel, dunkel wie ein geschlossener Mund von innen und darum muss ich mich darum kümmern. Erledigungen sind wie plärrende Väter. Eine Frau muss machen, was eine Frau machen muss, wenn sie es dann wirklich machen muss. Ich gehe zur Telekom, weil endlich Montag ist und ich gehe durch den Park. Ich gehe los. Ich gehe schnell. Im Park sehe ich, wie ein Vogel vom Baum fällt, nein, er fliegt, er schlägt nicht auf.
    Bei der Telekom muss ich kurz warten, weil vor mir ein Paar eine verzwickte Angelegenheit zu klären hat. Er redet immer lauter. Die Frau redet weniger als der Mann, aber leiser, aber höher. Danach bin ich an der Reihe und ich muss keinen Grund angeben, aber bezahlen, mach ich. «Ich werde von einem Mann belästigt», ich erzähle es trotzdem, weil ich es sonst niemandem sagen kann.
    Ich komme aus dem Laden der Telekom und sage zu mir: «Das war das!», ganz leise nur, weil ich kein Handy mit Head-Set habe, um in Ruhe mit mir selbst zu reden, ohne für verrückt gehalten zu werden. Ich bin verrückt nach Peter, aber davor war ich es auch schon. Das war das und dann was anderes. Ich kaufe mir eine Erdbeerschnitte und dann klaue ich mir einen Rock. Es ist ein hellblauer Rock, sehr knapp. Es sind Ornamente auf dem Stoff, aus dunkelblauem Samt. Das wird nach dem ersten Waschen abkrümeln, weil der Rock billig war, er hat gar nichts gekostet, nichts. Peter hat gesagt, er mag Frauen in Röcken und ich muss zum Frauenarzt, hat er nicht gesagt, muss ich aber.
    Das ist das Nächste. Gestern und vorgestern war Wochenende und davor war ich in Prag und dazwischen war ich bei Frank, oder er bei mir, und immer war ich bei Peter. Gesine habe ich auch einmal besucht und sie hatte wenig Zeit, weil Tom ihr eine neue Katze geschenkt hat. Sie heißt nicht Mulle und sieht auch nicht aus wie Mulle und trotzdem kann sie eine Lücke füllen, weil sie auch in Ecken pullert. Die Katze pullert aus anderen Gründen als Mulle in die Ecken, aus Alter und aus Alter, zu jung, zu alt. Sie sieht überhaupt nicht aus wie Mulle. Ich verstehe das nicht. Die Gesine sieht aus wie meine Gesine.
    Bei Holger war ich auch, der wäre für mich zum Frauenarzt gegangen, aber ich habe das Loch. Ich gehe gerne zum Frauenarzt, weil ich dann aufhöre, mein Innenleben zu wichtig zu finden. Der Arzt sagt: «Eins, zwei, drei» und macht die Handgriffe, die er immer macht: Gebärmutter, Eierstock links, Eierstock rechts, ja, Sie sind schwanger. Wusst ich es doch.
    Peter hat gesagt, er will Kinder, er hat nicht gesagt, dass er ein Kind will, sondern, dass er Kinder will. Wir waren was essen, wir waren was trinken, und dann habe ich seine Tochter und seinen Sohn kennen gelernt und Sebastian hat sich in mich verliebt. Peter hatte das schon befürchtet, Vater und Sohn. Wir gingen zu ihm, danach. Sie war sehr glücklich, er auch. Dann nahm sie die letzte Pille, obwohl sie noch vier Stück diesen Monat nehmen muss. Das ergibt sich manchmal. Ab und an vergesse ich die Pille, weil es Sachen gibt, die ich wichtig finde und Sachen, die ich nicht wichtig finde. Wenn ich morgens die Pillenpackung im Zahnputzbecher sehe, weiß ich, dass ich sie nehmen muss, muss. Und dann nähe ich zum Beispiel einen Flicken auf ein Loch. Im Bad sehe ich mich im Spiegel, tippe mir auf den Zeigefinger, küsse meinen Mund und sehe die Pillenpackung im
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