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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg
Autoren: Kirsten Fuchs
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wir sterben werden, weil das «Feuer so groß war, dass keine Tränen es löschen konnten». Aber als uns einfiel, dass diese Außerirdischen kommen, und dann finden sie am Ufer der Saale die Trinkfixpackung, mit der toten Fritzi drin, da haben wir gelacht, und wie! Wir haben nur gelacht. «Stell dir vor», haben wir gesagt, so wie das Lied von den Puhdys anfängt und wir haben die tiefe Stimme nachgemacht, «stell dir vor, irgendwo gibt es einen Planeten, auf dem intelligente Wesen leben. Sie sehen vielleicht genauso aus wie wir … und stell dir vor, die Kontinente geschmolzen, die Meere verbrannt, alle Meerschweinchen sind tot.» Wir haben uns gekringelt. «Und aus zehn Milliarden Augen ein Tränenmeer, das überlief und den letzten Damm der Hoffnung zerbrach … und die intelligenten Wesen finden an der Saale eine Trinkfixpackung …» Wir haben uns die dummen Gesichter der Außerirdischen vorgestellt, wenn sie denken, dass die Meerschweinchen die Menschen waren und alle Brücken gebaut haben und alle Bücher geschrieben haben. «Kuck mal!», haben wir gesagt und uns dumme Gesichter gezeigt. «Sie sehen vielleicht genauso aus wie du!» und wir sind geplatzt vor Lachen.
    Unser Kakao kommt, mit Keks, mit Sahne, mit Zuckertütchen, falls er nicht süß genug ist.
    «Ihre heiße Schokolade!», sagt die Kellnerin. Sie schiebt alles auf dem Tisch hin und her, viel zu lange, sagt: «So!» und sprintet zurück zum Tresen.
    Katrin behauptet: «Wir haben nur versucht, dich zu retten. Wer weiß, wo du heute wärst, ob du noch wärst, wenn Papa und Mama nicht …»
    Katrin lässt den Satz hinten offen, da fällt der Sinn raus, und mir fällt es schwer zuzuhören. Meere können gar nicht verbrennen und wenn die Kontinente geschmolzen sind, ist auch die Trinkfixpackung mit Fritzi geschmolzen. Ich rühre die Sahne in den Kakao, ganz langsam. Wer nicht mit Essen spielt, verschenkt sehr viel Spaß im Leben. Katrin rührt auch die Sahne unter, aber ohne hinzusehen, wie die weiße Sahne langsam braun wird. Katrin beugt sich weit nach vorne, um mir ins Blickfeld zu gelangen. Sie kommt mir so weit es geht entgegen, sehr weit, bis hierher.
    Katrin behauptet: «Du musst doch einsehen, dass die Maßnahmen, die wir ergriffen haben …»
    Einmal haben wir Fritzi eine Leine angelegt, weil wir eigentlich einen Hund haben wollten, egal wie klein, einen Dackel oder einen Pinscher, etwas was seinen Namen weiß. Ich zum Beispiel heiße Tanja. Fritzi wusste ihren Namen nicht. Fritzi quiekte und wollte hartes Brot und nicht Gassi gehen, gar nicht. Wir haben es trotzdem gemacht. Katrin, die hätte sagen müssen, dass das nichts für ein Meerschweinchen ist, hat selber eine Leine gesucht. Es war eine Wäscheleine, eine hellblaue, obwohl Fritzi ein Mädchen war, aber eine rosa Wäscheleine haben wir nicht gefunden, also hellblau. Wir haben Fritzi die Leine um den Hals geknotet und sind in den Hof gegangen.
    Katrin behauptet: «Du musst das endlich verzeihen. Das ist das worum ich dich bitte, obwohl ich nicht finde, dass wir etwas falsch gemacht haben, weil du …»
    Wir haben Fritzi gequält, haben sie hinter uns her gezogen, weil sie nicht bei Fuß laufen wollte. Sie wollte quieken. Die Kinder im Hof, die aus den anderen Häusern, ließen ihre Meerschweinchen frei laufen, auf einem eingezäunten Rasenstück. Sie haben uns beschimpft. Dabei ist es doch egal, wie die Freiheit eines Tieres eingeschränkt wird. Ich war von den Kindern im Hof immer die Kleinste. Ich war immer die Kleinste, nur Fritzi war kleiner.
    Katrin behauptet: «Ich muss mich nicht entschuldigen, weil es sich ja als richtig erwiesen hat. Du bist gesund und …»
    Schon wieder beendet sie den Satz nicht. Da kann ich nicht zuhören. Ich esse meinen Keks und Katrin hält mir ihren hin, weil ich ihr verzeihen soll. Ich esse ihren Keks, aber verzeihe ihr trotzdem nicht, niemals.
    Katrin behauptet: «Es sah zu der Zeit aus, als ob es böse enden würde mit dir, wenn …»
    Wir sind dann mit Fritzi in den Keller gegangen und haben dort weiter Hund gespielt.
    Katrin behauptet: «Das hatte mit frühreif nichts mehr zu tun. Du warst zu jung, um …»
    Katrin behauptet: «Gesoffen, Sex gehabt, geprügelt …»
    Katrin behauptet: «Das weißt du doch noch.»
    Fritzi saß auf dem nackten Kellerboden, neben dem Rattengift, und wir haben sie weggezogen. «Komm!», haben wir gesagt. Rattengift oder strangulieren. Sie ist bald darauf gestorben und andere auch, Mama, Papa, alle Lehrer. Ich hatte
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