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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg
Autoren: Kirsten Fuchs
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weil ich wissen will, wo mein Mann herkommt. Er kommt aus einer Lederhose, von einem Dachboden. Von weit her also, aber er hat zu mir gefunden, hier. Als er die Fotos an der Tür betrachtet, machen meine Augen eine Wanderung über seine Schultern, dünne Kleiderbügel. Seine Arme hängen, weil er Koffer mit Lasten trägt. Weil ich Lasten leicht nehme, kann ich mehr Lasten tragen, die von anderen, und länger.
    «Gib her!», sage ich und nehme ihm die leere Kaffeetasse ab. Gib her, alles, ich ertrage das. Er fragt mich, ob das mein Freund sei, und zeigt auf Fotos von Mario, Frank und Holger. «Das ist mein Freund», sage ich. Mario, Frank und Holger sehen sich ähnlich. Mein Jagdschema, hat eine Freundin gesagt. Sie heißt Ina. Ich habe auch Freundinnen. Die sehen sich nicht ähnlich. Ina sieht nicht aus wie Gesine, und Gesine sieht nicht aus wie Katrin, mit der ich auch nicht befreundet bin, weil sie meine Schwester ist. Ich sehe Katrin nie, nur etwas ähnlich. Aber Holger sieht aus wie Mario und Mario wie Frank. Jagdschema, als wäre ich ein Tier. Ich mag Tiere, aber sie mögen mich nicht. Sie bellen und kratzen und pinkeln auf mein Fahrrad. Jagdschema, als wäre ich auf der Jagd. Dabei laufen mir die Männer zu. Sie sind zahm, und ich habe viel Zeit. Ich nehme die Pille, und Sex schändet nicht, und ich stelle viele Fragen, weil ich viel wissen will. Lieblingsfarbe und Lieblingsbuch. Mein Sachbearbeiter zuckt die Schultern. Er hat sich über nichts einen Kopf gemacht.
    «Gelb und Dorian Gray», sage ich. Er mag alles auf dieselbe Weise nicht. Mich mag er, weil er da ist. Er heißt Peter. Das macht nichts.
    «Peter!», sage ich. Dann warten wir noch eine halbe Stunde. Ich ziehe mich für ihn aus. Er zieht sich für mich aus. Wir krauchen zusammen. Die ersten Berührungen sind langsam und langweilig, weil die Geschlechtsteile noch außen vor bleiben, draußen. Sein Schwanz streckt sich, groß. Die Decke strampel ich vom Bett. Er ist lecker, er riecht gut, überall, gut. Wir machen so was wie ein Vorspiel. Das brauch ich nicht, weil ich schon immer auf ihn gewartet habe, schon immer. Dass er ein Kondom holt, macht nichts. Nichts macht was. Wir machen es, drinnen. Der Rhythmus ist wie ein frühes Beatles-Lied, Help. Das gefällt mir, wie schön eingepackte Geschenke, und dann das Geschenkpapier zusammenfalten und aufheben. Sein Rücken ist warm. Sein Gesicht gefällt mir. Ich versuche ihn anzusehen, aber er kuckt in sich, das will ich auch, in ihn kucken. Seine Augen sind wie eine mit Wasser gefüllte Badewanne. Das Wasser ist kalt, aber mir ist ja warm. Alles ist gut. Unsere Körper reden ein wenig aneinander vorbei, aber das wird noch. Wir sagen nichts, aber das wird noch. Ich will nicht, dass er so was sagt wie: «Das sieht man doch», wenn ich ihn frage, ob er mit mir schlafen will. Sag Ja! Er ist nicht gut im Jasagen, aber das wird noch. Ich will seinen Namen nicht flüstern. Peter. Daran muss ich mich gewöhnen. Es dauert alles nicht lange. Immer wieder fühle ich etwas in mir aufsteigen, was mich an ein Zirkuszelt erinnert. Mir gefällt der Sex sehr gut, darum der Zirkus, darum das Zelt. Als er seinen Schwanz aus mir zieht, bin ich traurig, weil er geht. Aber er bleibt auf mir liegen und belastet mich. Ich mag das, schön. Schwer und warm, eine gute Zudecke. Bleib den ganzen Winter, Peter. Das Kondom bleibt drin. Er fischt danach mit schrägem Kopf, selbstverständlich, als ob das immer mal passiert. Ist mir noch nie passiert, aber irgendwann ist immer das erste Mal. Unser erstes Mal. Unser, wir, zwei Schwäne auf einem Baggersee. Die Schwäne werden zur Zucht zusammen gehalten, und sie sollen sich paaren und fortpflanzen. Ich halte nicht viel von Romantik. Das brauche ich nicht. Wir haben Intimität, und Romantik ist das Gegenteil davon, ja.
    «Ich habs», sagt er, als er das Kondom hat. Ich finde das lustig, aber er kuckt wie vorher. Sein Gesicht verändert sich nicht für mich. Ich blase ihm einen. Er schiebt sich das Kissen unter den Kopf, um zusehen zu können. Dann bin ich dran. Ich kann das nicht auf der kalten Leiter. Kurz bevor ich kommen könnte, zittern mir die Füße. Wenn, dann im Sommer, da werden wir uns auch schon länger kennen, ewig.
    Er geht weg, nachdem wir noch eine halbe Stunde herumgelegen haben, summend ich und wegnickend er. Die Heizung rauscht, und er muss das Meerschweinchen füttern. Er hat ein Meerschweinchen, und ich hab keins. Wir passen gut zueinander.
    Er ist gegangen und hat nur
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