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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher
Autoren: Richard Ungar
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zum nächsten Fastfood-Restaurant, um sich ein paar Pommes und einen Burger zu genehmigen – seiner Ansicht nach ebenfalls zum Abnehmen geeignet, weil er den Ketchup weglasse. Als er jedoch endlich mit mir sprach und erstaunt zur Kenntnis nahm, dass ich ihm keinerlei Erklärung dafür geben konnte, was mit Ben passiert war oder was wir nachts im Park zu suchen gehabt hatten, zog er stirnrunzelnd eine Schublade seines Schreibtischs auf, in dem er mehrere Rollen Oreos aufbewahrte.
    Jetzt sitze ich auf der Liege einer Arztpraxis und warte auf das Erscheinen des Doktors. Mein vierter Arztbesuch in dieser Woche. Alle diese Ärzte müssen denselben Innenarchitekten beauftragt haben, denn die Einrichtung gleicht sich wie ein Ei dem anderen: eine schmale Liege, eine Waage, eine Buchstabentafel, die bei Sehtests zum Einsatz kommt, sowie ein Poster, das den Aufbau des Innenohrs veranschaulicht. Mittlerweile bin ich ein Experte in Sachen Ohren. Inzwischen habe ich mir auch die unterste Reihe der Buchstabentafel eingeprägt – womit ich mir wahrscheinlich keinen Gefallen tue. Ich meine, was hat man schon davon, bei seinem eigenen Sehtest zu schummeln?
    Ich schlage die Beine übereinander, wodurch die Papierunterlage knittrig wird. Mit nichts als Unterwäsche, weißen Socken und einem himmelblauen Krankenhaushemdchen bekleidet, das, sosehr ich auch daran ziehe, nie lang genug ist, komme ich mir ein wenig seltsam vor.
    Ein kleiner Mann mittleren Alters marschiert herein, flankiert von zwei jungen Männern und einer Frau. Alle außer mir tragen einen weißen Kittel und halten ein Klemmbrett in der Hand. Auf seinem Namensschild steht DR . WINTON , und bei seinen Begleitern handelt es sich vermutlich um Medizinstudenten. Sein Stethoskop gerät in Bewegung, als er sich zu mir umdreht. Das ist eine weitere Sache, die ich nicht verstehe. Obwohl ein Großteil meines Lebens für mich im Dunkeln liegt, kann ich mich doch an viele Dinge erinnern, zum Beispiel daran, was ein Stethoskop ist.
    »G uten Morgen, Caleb. Wie geht’s uns heute?«, fragt er. Wenn er spricht, pulsiert eine Ader an seinem Hals, was mir irgendwie bekannt vorkommt. Doch weiß ich nicht, woran mich das erinnert.
    »G uten Morgen, Doktor Winton, mir geht’s gut«, antworte ich, was abgesehen von der riesigen Lücke in meinem Gehirn der Wahrheit entspricht.
    »I st ein Teil unserer Erinnerungen zurückgekehrt?«, fragt er. Dieses Uns fällt mir langsam auf den Wecker. Was mich jedoch genauso irritiert, ist die Tatsache, dass die Medizinstudenten mich anglotzen, als wäre ich ein Stück Kaugummi, das sie gerade unter ihren Schuhen entdeckt haben.
    »E s sind nur Bruchstücke«, antworte ich, »a ber sie ergeben keinen Sinn.«
    Dr. Winton lächelt. Die Medizinstudenten lächeln ebenfalls. Ich habe das Gefühl, sie wollen, dass ich weiterrede, also lasse ich mich nicht lange bitten.
    »A lles ist ein einziges Durcheinander. Ich erinnere mich an beißende Schildkröten, an eine Kuchenform, die durch die Luft segelt, eine Höhle, einen Kimono …«
    Die Studenten machen sich fleißig Notizen. Ich bin versucht, Nashornmist hinzuzufügen, um zu sehen, ob sie das auch mitschreiben.
    Dr. Winton beugt sich mir entgegen und leuchtet mit einer Stablampe in meine Augen. Sein Atem riecht nach Zwiebeln. Die Studenten treten näher heran und rahmen mich ein.
    »S ieh mal nach links«, sagt er, und ich gehorche auf der Stelle.
    »J etzt nach rechts«, fährt er fort. »U nd nun geradeaus.«
    Ich tue, was mir gesagt wird.
    Der Doktor hält kurz inne, ehe er sich seinen Studenten zuwendet. »D er Patient leidet an einer umfassenden Amnesie. Mögliche Ursachen?«
    »E in Schädel-Hirn-Trauma«, antwortet eine Studentin.
    »I st auf den Röntgenbildern nicht zu erkennen«, entgegnet Dr. Winton.
    »E inwirkung einer toxischen Substanz«, schlägt ein anderer Student vor.
    »K eine Indikation.«
    Ich weiß nicht, was mich mehr stört: die Tatsache, dass ich keine Ahnung habe, wovon sie hier reden, oder dass sie über mich sprechen, als wäre ich Luft.
    »I st Ihnen ein ähnlicher Fall schon mal begegnet?«, frage ich den Arzt.
    Er lächelt. »N un, zwar nicht jeden Tag, aber im Laufe der Jahre ist das hin und wieder vorgekommen. Das Gehirn ist ein kompliziertes Organ, das wir immer noch nicht vollständig verstehen. Manchmal versucht es, sich selbst zu schützen.«
    »U nd Sie glauben, dass auch mein Gehirn versucht, sich vor irgendwas zu schützen?«, frage ich.
    »V ielleicht«, antwortet
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