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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher
Autoren: Richard Ungar
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innerhalb des Hauses.
    Alles still.
    Nächster Versuch.
    Für einen Augenblick frage ich mich, ob es das richtige Haus ist. Aber dann verwerfe ich diesen Gedanken. Ich war früher schon einmal hier und Ben wird ja wohl sein eigenes Haus wiedererkennen.
    Aber was ist, wenn ich alles vermasselt habe und im Jahr 1969 oder 1970 oder in einem anderen Jahr in Bens Zukunft gelandet bin? Vielleicht sind Jim und Diane längst fortgezogen und es wohnen nun ganz andere Leute hier. Ich versuche, mir zu sagen, dass ich die Sequenz zwar in Nassims Handgelenk eintippen musste, mich aber unmöglich so sehr vertan haben kann. Ein paar Stunden früher oder später, okay. Vielleicht sogar ein paar Tage, aber Jahre? Nie im Leben. »S ag niemals nie, Cale«, würde Abbie sagen. Was meine Gedanken sofort in eine ganz andere Richtung katapultiert. Abbie. Sie sollte inzwischen hier sein.
    In diesem Moment geht das Licht vor dem Haus an.

15. Juli 1967, 23:04 Uhr
    Boston, Massachusetts
    I ch trete automatisch einen Schritt zurück.
    Das Quietschen eines Schlosses. Die Tür öffnet sich einen Spaltbreit.
    »W er ist da?«, fragt eine männliche Stimme.
    »I ch bin’s, Daddy!«, schreit Ben.
    Ich sehe Ben an. Er ist triefend nass, seine Haare kleben am Kopf. Aber seine Augen leuchten.
    Die Tür öffnet sich so weit, wie es die vorgespannte Kette zulässt. Ich erkenne Jim fast nicht wieder. Sein Gesicht sieht blass und verhärmt aus, der Ansatz seiner vom Schlaf verstrubbelten Haare ist grau geworden.
    »B en?«
    »I ch bin’s, Daddy … und Caylid ist auch da.« Ben schubst mich nach vorn, um seine Worte zu unterstreichen.
    Jim starrt uns beide an. Ich weiß nicht, was in diesem Moment in seinem Kopf vorgeht. Aber ich kann es mir vorstellen. Er fragt sich bestimmt, was ich, Caleb, der Junge ohne Nachnamen (und nun auch noch ohne festen Wohnsitz), mit dem Verschwinden seines Sohnes zu tun hat. Wahrscheinlich hält er es sogar für möglich, dass ich ihn entführt habe.
    Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Jim starrt uns an und wir starren zurück. Dann, ohne die Augen von Ben abzuwenden, ruft er: »D i!«
    Ich höre Schritte auf der Treppe, dann erscheint Diane. Sie sieht genauso müde und mitgenommen aus wie Jim. Doch als sie Ben sieht, verändert sich etwas in ihrem Gesicht. Als wäre sie in einer dunklen Gefängniszelle gewesen und träte gerade zum ersten Mal wieder ans Licht. Sie starrt ihren Sohn an, als traue sie ihren Augen nicht.
    »M om!«, schreit Ben.
    »B …Ben?«, sagt Diane.
    Dann streckt sie eine Hand nach Ben aus – langsam, zögerlich. Ihre Finger sind jetzt in seinem Gesicht, erkunden Stirn und Wangen, gleiten über den Mund, als wollten sie sich vergewissern, dass es auch wirklich er ist.
    »B en!«, sagt sie erneut. Doch jetzt gibt es kein Halten mehr. Sie schlingt die Arme um ihren Sohn und drückt ihn heftig an sich. Jim schließt beide in seine Arme.
    Ich werde von einem tiefen Glücksgefühl erfasst. Ben ist zu Hause bei seiner Familie!
    Am liebsten würde ich jubelnd durch die Straßen tanzen, alle Leute aufwecken, allen Menschen des Jahres 1967 persönlich die gute Nachricht überbringen.
    Doch aus einem simplen Grund ist das nicht möglich.
    Weil auch ich jetzt in die Umarmung hineingezogen werde.
    Stunden später liege ich im Gästezimmer der Rushtons und habe die Steppdecke bis zur Nase gezogen.
    Es fällt mir schwer einzuschlafen.
    Werden sie mir glauben, wenn ich ihnen die ganze Geschichte erzähle? Oder werden sie denken, bei mir sei eine Schraube locker, und mich an einem Ort mit weißen Wänden einliefern lassen, wo sie einem die Schnürsenkel wegnehmen? Könnte natürlich auch sein, dass sie die Polizei rufen, die mich umgehend in Handschellen legen wird.
    Obwohl das nicht zu Abbies und meinem Plan gehörte, wollte ich Jim und Diane gleich alles erzählen, nachdem wir zur Tür hereingekommen waren. Wollte alles vor ihnen ausbreiten. Die wahren Geständnisse eines Time Catchers. Und ich habe Jims Gesicht angesehen, dass er tausend Fragen an mich hatte, die nichts mit höflicher Konversation zu tun hatten. Doch nachdem er sich kurz mit Ben und Diane in der Küche beraten hatte, kamen sie zu mir.
    »E rzähl es uns morgen in aller Ruhe«, sagte Diane. »W ir können jetzt alle ein bisschen Schlaf gebrauchen.«
    Nun liege ich also hier und warte auf den Morgen. Und glaubt mir, ich habe schon ganze Jahrhunderte in kürzerer Zeit an mir vorbeiziehen sehen.
    Ich kuschele mich tiefer ins Bett
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