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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher
Autoren: Richard Ungar
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ein Handgemenge entstanden, dann kracht jemand gegen mich. Ben.
    Die Tür des Aufzugs schließt sich. Ich frage mich, warum Mario nicht mitfährt. Vielleicht hat er doch einen gewissen Gedächtnisverlust erlitten. Denn wenn er sich an mich und Ben erinnern könnte, würde er Ben auf keinen Fall aus dem Blick lassen. Was mich angeht, muss er sich keine Sorgen machen. Denn in zwanzig Sekunden hält der Lift am einzig dafür vorgesehenen Ort: in Onkels Büro.
    Aus den Deckenlautsprechern erklingt Musik. Düstere klassische Musik. Begräbnismusik.
    Im nächsten Moment mischt sich ein surrendes Geräusch hinein.
    Wir fahren nach oben.
    Mein Herz rast. Ben sitzt zitternd in der Ecke, die Knie an die Brust gezogen.
    »C aylid, ich will nach Hause«, schluchzt er.
    »I ch bringe dich nach Hause, Ben«, versichere ich. Aber meine Worte klingen hohl. In Wahrheit sind mir die Ideen ausgegangen, wie ich ihn jetzt noch retten könnte. Und auch der Mut hat mich verlassen. Meine Beine sind wacklig, und ich muss mich an der Wand abstützen, um nicht die Balance zu verlieren.
    Der Lift hält an, die Tür gleitet auf. Ben bewegt sich nicht vom Fleck. Ich hole tief Luft.
    Der Angriff kommt so schnell und leise wie immer.
    »H öhenangst. Neun Buchstaben!«, knurrt eine Stimme.
    Offenbar hat sich Onkel Nassim noch nicht vom Hals geschafft. Ich versuche, mich aus seinem Klammergriff herauszuwinden, doch keine Chance. Ehe ich weiß, wie mir geschieht, finde ich mich mit dem Gesicht neben Ben auf dem Boden wieder. Ein Arm wird mir auf den Rücken gebogen.
    »S chwindel«, zische ich durch zusammengebissene Zähne.
    Im nächsten Moment komme ich frei. Nassim tritt einen halben Schritt zurück, einen Fuß im Aufzug, einen außerhalb.
    »W ie bist du aus der Wüste herausgekommen?«, fragt er.
    »R eines Glück«, stöhne ich, stehe auf und massiere meinen tauben Arm.
    »U nd wer ist das?« Nassims Augen richten sich auf Ben.
    »S ein Name ist Ben Rushton«, antworte ich. »D er gehört nicht hierher, Nassim. Ich bringe ihn nach Hause.«
    Nassim muss lachen. »D as hier ist sein Zuhause, Caleb. Genau wie deins … und meins.«
    »O kay, vielleicht meins. Aber nicht seins. Und deins … wohl auch nicht mehr lange!«, platzt es aus mir heraus.
    Nassim beugt sich nah an mich heran. So nah, dass ich die abgeplatzte Stelle an einem seiner Vorderzähne erkenne. »W as soll das heißen?«, raunt er.
    Ich hole tief Luft, fasse all meinen Mut und antworte: »O nkel hat deine Datei gelöscht.«
    Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. »B ist du sicher? Woher weißt du das?«
    »W eil ich da war, als er es getan hat.«
    Nassims Gesicht ist zu einer Maske erstarrt. Ich kann mir nicht vorstellen, was er jetzt empfindet. Aber ich weiß, was er denkt. Ohne Datei ist seine Existenz quasi ausgelöscht worden. Und da er Onkel nichts mehr schuldig ist, könnte er theoretisch seiner Wege gehen.
    »O nkel will dich loswerden«, murmele ich.
    Dieses kurze Flackern in seinen Augen, war das Ausdruck einer Gemütsbewegung?
    Erneut versuche ich, Kontakt zu Abbie aufzunehmen, und erneut scheitere ich. Ein rascher Blick auf meinen Fingernagel. Vor zwölf Minuten haben wir uns getrennt. Bestimmt antwortet sie nicht, weil sie sich unserem Plan zufolge aus dem Staub gemacht hat. Mein Gehirn weigert sich, irgendeine andere Erklärung zu akzeptieren.
    »I ch muss jetzt gehen, Nassim«, sage ich. »I ch nehme Ben mit. Wenn du willst, kannst du uns begleiten. Aber bitte versuche nicht … uns aufzuhalten.«
    Doch ehrlich gesagt, wo soll ich hingehen? Runter zu Mario?
    In diesem Moment fällt ein Schatten in den Aufzug.
    Am Fuß des Schattens steht eine Gestalt in einem gelben Hanfu, die ein blitzendes Schwert in der Hand hält.
    » Z ăo shàng hăo, Caleb!«

11. Juli 2061, 9:13 Uhr
    Trainingsgelände
    SoHo, New Beijing (früher New York City)
    H at euch beiden die Fahrt mit meinem Aufzug gefallen?«, fragt Onkel.
    Ich höre seine Worte, und erstaunlicherweise sagt mir mein Gehirn, dass es nur Worte sind, die mich nicht verletzen können, solange ich es nicht zulasse. Zugleich bemerke ich eine Veränderung in mir. Die vertraute Angst, die kalte, lähmende Angst, die ich stets vor Onkel empfunden habe, hat sich verändert, verwandelt in etwas Hartes und Starkes.
    »B leib doch ein bisschen«, fährt Onkel fort, »u nd erzähl uns alles darüber, wie es dir gelungen ist, aus der Wüste zu fliehen. Das wird bestimmt sehr unterhaltsam. Ich will dir sogar ein Angebot machen,
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