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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher
Autoren: Richard Ungar
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Handgelenk.
    Rasch. Tipp tipp tipp auf Nassims Handgelenk. Dann umfasse ich es fest mit meiner anderen Hand. Drei miteinander verbundene Handgelenke. Nicht loslassen!
    Augen zu und ein Stoßgebet.
    Drei Sekunden später erreicht der Aufzug Onkels Büro. Die Tür gleitet auf.
    Doch niemand ist darin.

15. Juli 1967, 22:49 Uhr
    Boston, Massachusetts
    I ch hole tief Luft und öffne ein Auge. Es ist so dunkel, dass ich kaum etwas erkennen kann. Der Geruch von Plastik steigt mir in die Nase. Ich öffne das andere Auge. Schwaches Licht dringt in den Tunnel. Denn genau dort bin ich … in irgendeinem Plastiktunnel.
    »B en?«, rufe ich.
    Keine Antwort.
    »N assim?«
    Stille.
    Auf allen vieren krieche ich vorwärts, als der gesamte Tunnel sich plötzlich nach unten neigt. Ich verliere den Halt und gerate ins Rutschen. Kopfüber sause ich hinab und nehme mit jeder Sekunde mehr Fahrt auf.
    Ich versuche, die Wände zu berühren, um das Tempo zu drosseln, aber meine Arme gehorchen mir nicht. Als ich dasselbe mit den Beinen probieren will, schieße ich aus dem Tunnel heraus.
    Ich liege auf nackter Erde. Es ist Nacht und es regnet. Links von mir sehe ich eine Wippe und ein paar Klettergerüste. Zu meiner Rechten einen Sandkasten. Gegenüber einige Schaukeln.
    Ben liegt kaum einen Meter von mir entfernt. Ich will meine Hand nach ihm ausstrecken, aber die Zeitstarre hält mich immer noch gefangen.
    Im nächsten Moment spüre ich eine schwere Hand auf meiner. Sie öffnet meine Finger, legt mir einen Zettel auf die Handfläche und schließt meine Finger darum. Dann sehe ich Nassim davongehen.
    Eine Sekunde später löse ich mich aus der Zeitstarre und krieche zu Ben, der reglos daliegt.
    »B en!«, rufe ich.
    Panik ergreift von mir Besitz. Könnte der Zeitsprung ihn getötet haben? Ich habe noch nie gehört, dass so etwas schon mal passiert ist, doch Onkel hätte es auch bestimmt nicht an die große Glocke gehängt.
    Ich bin vor Angst ganz starr, doch dann sehe ich plötzlich, dass Bens linker Fuß zweimal zuckt.
    Komm schon!
    Sein rechter Fuß tut dasselbe. Seine Beine geraten in Bewegung, seine Fäuste öffnen sich.
    Ich stoße einen Seufzer der Erleichterung aus.
    »C aylid?«, sagt Ben, nachdem er die Augen geöffnet hat. Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich mich so darüber gefreut, meinen Namen falsch ausgesprochen zu hören.
    »H ier bin ich, Ben.«
    Er setzt sich langsam auf und schaut sich mit großen Augen um. »W ir sind hier!«
    »J a«, sage ich, »f ragt sich nur, wo hier ist?«
    Er strahlt mich an. »W ir sind im Park. Und da vorn ist mein Haus!« Er zeigt über eine Rasenfläche hinweg auf eine Reihe von Lichtern und zieht mich am Arm.
    »E inen Moment«, sage ich. »E rinnerst du dich an den großen Mann, der mit uns gekommen ist?«
    Er nickt.
    »E r musste schon gehen«, sage ich. »A ber er hat mir eine Nachricht dagelassen.«
    Ich falte den Zettel auseinander, den Nassim mir gegeben hat, und versuche, die Buchstaben im Dunkeln zu entziffern: zwölf Buchstaben, Aufbruch (drei Wörter).
    Ich denke einen Moment nach. Dann lache ich leise in mich hinein.
    »W as ist so lustig?«, fragt Ben.
    »N assim hat mir ein Rätsel dagelassen und ich bin gerade auf die Lösung gekommen.«
    »U nd wie ist die Lösung?«
    »Z u neuen Ufern«, antworte ich.
    »U nd was ist daran lustig?«, fragt Ben.
    »E igentlich nichts. Es ist nur Nassims Art, sich von uns zu verabschieden.«
    Nassim ist frei, zu neuen Ufern aufzubrechen. Onkel kann ihn nicht aufspüren, weil sämtlichen Daten aus seinem System gelöscht wurden.
    Ben blickt zu mir auf. Sein Gesichtsausdruck erinnert mich an ein überstandenes Unwetter. Eben noch Donner und Blitz, jetzt strahlend blauer Himmel. Er kugelt mir fast den Arm aus, als er mich heftig mit sich zieht.
    »K omm mit, Caylid!«
    »W ohin?« Ich kenne die Antwort, doch ich will sie von ihm hören.
    »N ach Hause!«, ruft Ben.
    Kurz darauf stehen wir auf der Türschwelle zu Bens Haus. Es ist kalt und dunkel und ich bin erschöpft. In den letzten achtundvierzig Stunden habe ich kaum geschlafen. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, doch der Dunkelheit und der Tatsache nach zu urteilen, dass noch kein einziges Auto vorbeigefahren ist, muss es mindestens Mitternacht oder später sein.
    Es regnet immer noch in Strömen, doch das kleine Vordach vor dem Eingang schützt uns vor dem Schlimmsten. Ben steht neben mir, bibbernd in T-Shirt und Shorts.
    Ich drücke auf die Türglocke und höre sofort ein Klingeln
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