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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher
Autoren: Richard Ungar
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hinein. Vielleicht wird alles gut, wenn ich es ihnen erzähle. Warum sollten sie mir nicht glauben? Schließlich werden in wenigen Jahren ein paar Männer auf dem Mond landen. Da kann es doch nicht so schwer sein, an die Existenz von Zeitreisen zu glauben. Doch wenn ich ihnen die ganze Geschichte erzähle, wirklich die vollständige Geschichte mit allem Drum und Dran, könnten sie sich dann je wieder sicher fühlen?
    Das Jucken meines Handgelenks setzt eine ganze Reihe neuer Gedanken in Gang. Einer davon ist: Der einzige Weg, das Jahr 1967 wieder zu verlassen, besteht für mich fortan darin, es so zu machen wie alle anderen auch, nämlich älter zu werden.
    Ich strecke meinen Arm zum Nachttisch aus, knipse die Lampe an und nehme mein geschnitztes Stück Treibholz in die Hand. Streiche mit den Fingern über die Oberfläche. Lange Zeit habe ich nicht gewusst, wessen Gesicht hier entsteht. Doch nun weiß ich es.
    Es ist mein eigenes Gesicht. Das Gesicht meines neuen Ichs.
    Ich ertaste es mit den Fingern, zuerst das Kinn, dann Wangenknochen und Nase. Bei den Augen halte ich inne. Sie sind immer noch da. Genau dort, wo ich sie platziert habe. Je ein Auge in jeder Höhle. Ich nehme sie heraus und halte sie in der Hand. Zwei kleine silbrige Pillen. Und plötzlich muss ich an Nassims Worte denken: »D iese Pille löscht deine Erinnerung. Nimm zwei davon, und nach wenigen Stunden wirst du dich an nichts mehr erinnern können, was vor dem gestrigen Abendessen passiert ist.«
    Ich werfe einen Blick auf den Radiowecker: 4:34. Ich kann es nicht länger aufschieben. Abbie hätte längst hier sein sollen. Doch sie wird bestimmt einen guten Grund gehabt haben, etwas länger zu warten. Ich weigere mich, irgendwelche anderen Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Irgendwas hat ihre Abreise verzögert, aber es geht ihr gut und sie wird kommen. Ja, genau so ist es. Sie wartet nur, bis die Luft rein ist.
    Ich betrachte die Pillen in meiner Hand. Sie sind so klein. Kaum vorstellbar, dass etwas so Kleines eine so ultimativ durchschlagende Wirkung haben kann.
    »D u musst beide schlucken«, hatte Abbie gesagt. »E ine ist nicht genug. Und wenn ich mich verspäte, dann warte nicht auf mich.«
    Ich musste es ihr versprechen. Bis jetzt habe ich nur den ersten Teil missachtet: nicht auf sie zu warten. Und vielleicht sollte ich den Rest meines Versprechens ebenfalls in den Wind schlagen und die Pillen einfach ignorieren.
    »I ch will dich nicht vergessen«, hatte ich zu ihr gesagt.
    »D as musst du auch nicht. Ich komme mit dir.«
    »A ber wenn ich sie nehme, dann wirst du eine Fremde für mich sein. Wir werden uns nicht wiedererkennen.«
    »D as wird nicht lange andauern. Wir werden uns neu kennenlernen.«
    Ich lege mir eine Pille auf die Zunge.
    »D u hast eine einzigartige Chance, Caleb«, hatte sie gesagt. Abbie hat recht. Ich habe die Chance, das zu tun, wovon ich immer geträumt habe. Ein richtiges Leben in einer richtigen Familie zu führen. Das ist genau das, was ich will.
    Ich schließe meinen Mund und schlucke.
    Ich spüre nichts.
    Dann stecke ich mir die andere Pille in den Mund. Runter damit.
    Ich werde ein wenig schläfrig. Ein einziger schöner Gedanke sollte ausreichen, mich ins Reich der Träume zu befördern. Wie wär’s mit diesem hier:
    Ben ist in Sicherheit.

29. Juli 1967, 11:49 Uhr
    Boston, Massachusetts
    E s ist noch nicht mal Mittag und dennoch habe ich schon jede Menge erlebt. Ich habe den Großteil des Vormittags im Büro des Kinderhilfswerks verbracht. Die Leute dort waren sehr nett, doch war ihnen deutlich anzumerken, dass sie nicht wussten, was sie mit einem Kind wie mir, das sich nicht ausweisen kann und seinen Nachnamen nicht kennt, anfangen sollten. Als Diane erwähnte, sie habe meinem Akzent zufolge schon mehrmals den Eindruck gehabt, ich käme womöglich aus Kanada, waren die Beamten gleich Feuer und Flamme, was bedeutet, dass ich zwei Stunden mit einer Zaubertafel in einem Raum verbrachte und wartete, während sie bei allen möglichen kanadischen Behörden nachfragten, ob in jüngster Zeit ein Junge vermisst würde.
    Danach brachte mich Diane zum nächsten Polizeirevier, um mit dem für meinen Fall zuständigen Polizisten zu sprechen. Es handelte sich um Detective Portelli, einen pummeligen Typen mit Bürstenhaarschnitt, der uns zunächst anvertraute, dass er auf Diät sei. Allerdings könne er sich nicht dazu überwinden, die Karottenstangen zu essen, die seine Frau ihm mitgebe, also schleiche er sich heimlich
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