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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord
Autoren: Anna Kalman
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1
    Eine gescheite Frau
    hat Millionen geborener Feinde:
    alle dummen Männer.
    MARIE VON EBNER-ESCHENBACH
     
    So schnell es sein lahmes Bein erlaubte, humpelte Erich Löschke über das verschlissene Perserteppich-Imitat. Aus der Vitrine der Schrankwand, Eiche rustikal, nahm er ein Wasserglas und hinkte hastig zurück.
    Nebenan gab es wieder mal Streit. Wortfetzen drangen durch das Mauerwerk. Routiniert setzte Löschke das Glas an die Rosentapete und preßte sein haariges Altmänner-Ohr dagegen.
    »Ich habe es satt bis obenhin. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«
    Sein simples Abhörgerät funktionierte einwandfrei: Das war die Stimme der Rothaarigen.
    »Edward Graf Habeisberg, gewohnt an ein gepflegtes und sauberes Ambiente.«
    »Dann, Euer Durchlaucht, sucht Euch doch eine bindungsscheue Miß Proper, die mit Vergnügen den ganzen Tag durch die Wohnung fegt. Und bis Ihr sie gefunden habt, gilt: Der Staubsauger steht in der Abstellkammer, und die Bedienungsanleitung liegt gleich daneben!«
    »Ts, ts, ts«, machte Löschke. So was hatte es zu seiner Zeit nicht gegeben. Die Anni – Gott hab sie selig – hatte nicht nur die Wohnung, sondern auch ihn mitsamt seinen Hemden dreißig Jahre lang gehegt und gepflegt – ohne auch nur ein einziges Mal zu murren. Still und genügsam war sie seiner Wege gegangen. Nur einmal hatte sie es gewagt aufzubegehren. Sie hatte aus reiner Boshaftigkeit einen Zitronenkuchen gebacken, den er verabscheute und von dem er obendrein Sodbrennen bekam. Aber er hatte gewußt, wie gegen solche Meuterei einzuschreiten war, und tagelang keinen Ton mit ihr gesprochen. Danach hatte sie es aufgegeben, sich zu wehren, und es war bei diesem einzigen Akt der Selbstbehauptung geblieben.
    Nachdem sie auf ihre bescheidene Weise aus dem Leben geschieden war – beim Einkochen von Erdbeermarmelade war sie einem Herzinfarkt erlegen –, hatte er die Führung seines Haushalts in die Hände der Caritas gelegt. Die praktischen Dinge des Lebens waren für ihn nie ein Problem gewesen. Daran sollte sich das Mannsbild nebenan ein Beispiel nehmen und die Rothaarige an seiner Anni. Jawoll! Löschke leckte sich über die rauhen Lippen und lauschte weiter.
    »Deine feministischen Sprüche ziehen bei mir nicht.«
    Aha, jetzt war er am Zug.
    »Wie wär’s, wenn du auch mal deinen weiblichen Pflichten nachkommen würdest, anstatt immer nur deine Rechte zu fordern? Viermal die Woche! Das hält ja der stärkste Hengst nicht aus!«
    »Was willst du denn überhaupt!« keifte sie zurück. »Dreimal davon hast du doch eh deine Migräne!«
    Die Wohnungstür fiel ins Schloß. Absätze klapperten wütend die Holztreppe hinunter. Erich Löschke war angesichts von so viel Offenheit fassungslos. Das war zwischen ihm und Anni nie ein Thema gewesen. Und er hätte es sich auch sehr verbeten, hätte sie eines daraus gemacht. Kopfschüttelnd schlurfte er zum Fenster und spähte durch die vergilbte Gardine hinaus. Die Rothaarige stieg soeben in ihr Auto und brauste davon. Nebenan rauschte es in den Wasserrohren. Edward von Habeisberg duschte.
     
    »Love me or leave me«, hauchte Doris Day mit rosa Samtstimme aus den Lautsprechern des Autoradios. Malina Maltzan – niemand nannte sie mehr so, seit ihr Bruder in einem schwärmerischen Anfall für Barry Manilows Song beschlossen hatte, sie von Stund an Mandy zu rufen – hatte eine ausgesprochene Schwäche für Hollywood-Songs aus den Fünfzigern. Sie lauschte einen Augenblick und setzte den Song mit etwas weniger sanftem Vibrato fort: »Let me be lonely …«
    Ihr rotes Haar loderte im Fahrtwind, und in ihr gärte es vor Empörung. Die Kraftausdrücke, mit denen sie Edward bedachte, hätten ihre Mutter sicherlich vor Scham erröten lassen. Mit einem Quietschen brachte Mandy den Wagen vor einer Ampel zum Stehen, wodurch sich der Porschefahrer nebenan veranlaßt fühlte, sie mit einem anerkennenden Grinsen zu belohnen. So ein Idiot.
    Die Ampel schaltete um. Mandy legte hastig den Gang ein und fuhr Richtung Bogenhausen. Ihr Büro war in einem der Glasfassadentürme in der Nähe des Rosenkavalierplatzes untergebracht. Außerdem residierten in den Gebäuden verschiedene Banken, Versicherungen und die Redaktionen von »Elle«, »Bunte« und »Cosmopolitan«, die dem Viertel einen Hauch von Glamour und Weitläufigkeit verliehen. Das Café Fön am Rosenkavalierplatz war das Mekka der Karrierefrauen. Von Gerhard Meir frisiert und in dunkelgraue Hosenanzüge gewandet, nippten sie gleich einer
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