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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord
Autoren: Anna Kalman
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Fähigkeit besaß, den Mann doppelt so groß zu zeigen, wie er von Natur aus ist.«
    Offensichtlich brauchte er die Lupe nicht mehr, amüsierte sich Mandy und nippte an ihrer alkoholfreien Pina Colada. Den Geschmack nach Rum vermißte sie nicht, und das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde breiter, als sie daran dachte, warum sie darauf verzichtete. Genau in diesem Augenblick bewegte sich das Baby in ihrem Bauch. Drei Wochen zuvor hatte sie das zaghafte Strampeln zum erstenmal bemerkt.
    Glücklich? Welch dürftiges Alltagswort für das, was sie empfand. Es schien ihr, als wäre sie zu klein, um so viel Freude in sich zu bergen. Alles, worüber sie sich früher mit Hingabe den Kopf zerbrochen hatte – Karriere, Finanzen, Zukunftspläne, Beziehungsprobleme – war für eine Weile in den Hintergrund gerückt. Es war ganz eindeutig, daß das Kind die Hauptrolle spielte.
    Sie blinzelte in die Sonne und blickte zu Edward hinüber, der in seinem Liegestuhl eingeschlafen war. Er wirkte so entspannt wie schon lange nicht mehr. Manchmal war ihre Verwunderung darüber, wie innig ihre Beziehung geworden war, immer noch außerordentlich, und sie wußte auch, daß das Baby einen nicht ganz unbedeutenden Teil dazu beigetragen hatte.
    Dabei war sie, nachdem sie erfahren hatte, daß sie schwanger war, zuerst einmal ziemlich ins Grübeln gekommen. Tagelang war sie umhergeschlichen, ständig mit der Frage beschäftigt, wer der Vater war. Schließlich war sie ziemlich nahtlos von Frederick zu Edward übergegangen, und da waren Zweifel wohl berechtigt.
    Edward hatte sie, ohne daß sie es merkte, eine Zeitlang amüsiert beobachtet, bis er mit dem, was er wußte, herausgerückt war: Frederick Bergerhoff hatte sich nach der Geburt seines Sohnes sterilisieren lassen. In einem ehrlichen Gespräch unter Männern hatte er Edward den Grund dafür genannt: »Wissen Sie«, hatte er verschwörerisch gesagt, »ich schlafe mit so vielen Frauen, da kann ich nicht jedesmal an Verhütung denken.« Edward hatte nur verständnisvoll gelächelt und sich seinen Teil gedacht.
    Wenn Mandy auf das vergangene Jahr zurückblickte, so hatte sie das Gefühl, alles habe sich zum Guten gewendet. Im Grunde hatte jeder bekommen, was er wollte: Dorothee Lebenslust, Cordula Schiller Sex mit Frederick, Christoph Kempf sein umweltbewußtes Heimchen am Herd, Heino Ruttlich Ruhm und Ehre, sie und Edward einander – nur was aus Gwendolyn geworden war, wußte niemand.
    Auch Richard Grasser hatte letztendlich gefunden, was er gesucht hatte: Erlösung. Mit Schaudern erinnerte sich Mandy an die Todesangst, die sie seinetwegen erlitten hatte, doch sie konnte nicht ohne Schuldbewußtsein an ihn denken. Nie würde sie den Moment vergessen, als Kommissar Schwan sie und Edward von seinem Fund im Keller des Arztes unterrichtet hatte. Das Entsetzen und der Ekel hatten ihm noch nachträglich im Gesicht gestanden.
    Als Schwan und seine Männer den heulenden Hund im geheimen Kellerraum gefunden hatten, konnten sie nicht ahnen, was sie noch darin entdecken würden. Der Kollege Fritsch hatte zuerst bemerkt, daß das Eisenbett in der hinteren Ecke des Gewölbes merkwürdig verformt war. Das Gestell war geschmolzen, als hätte es unter dem Einfluß extremer Hitze gestanden, aber nirgendwo sonst waren Spuren eines Brandes zu entdecken gewesen. Fast, so hatte Schwan berichtet, wären sie wieder nach oben gegangen.
    Doch da war dieser penetrant süßliche Geruch gewesen. Und schließlich hatte Fritsch mit zitterndem Finger auf ein Paar nackter Beine in einer Nische gedeutet. Der Anblick wäre nicht so grauenerregend gewesen, hätte nicht der dazugehörige Körper gefehlt. Bis auf die Beine war Grasser zu Staub verbrannt. Selbst seine Knochen waren zu Asche zerfallen.
    Obwohl Schwan den furchtbaren Anblick verstümmelter Leichen kannte, hatte dieser Fund alles zuvor Erlebte überstiegen. Erst mit Hilfe von Experten hatte die Polizei das Rätsel um Grassers Tod lösen können. Sie gingen davon aus, daß sich Grasser durch die Überdosis Haloperidol, die Mandy ihm injiziert hatte, zwar noch in den Keller geschleppt hatte, dort aber ohnmächtig geworden war. Bei seinem Sturz, so vermutete man, mußte er eine der brennenden Kerzen vor dem Totenschrein seiner Mutter heruntergerissen haben. Die Flammen hatten zunächst seine Kleider angegriffen und waren dann auf seinen Körper übergegangen. Durch seine Bewegungsunfähigkeit hatte der Mann gebrannt wie eine Kerze. Das Feuer hatte ihn nicht lichterloh in
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