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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord
Autoren: Anna Kalman
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hatte die Armbrust über der Schulter schon gespannt, und entschlossen schoß sie den Pfeil ab …
     
    Es war neun Uhr morgens, als Edward unrasiert und mit verquollenen Augen in die Küche wankte. Mandy hatte die äußeren Spuren ihres inneren Kampfes längst getilgt. Sie war frisch geduscht, hatte Make-up aufgelegt, und ihr Haar umgab ihren Kopf wie eine rote Wolke.
    »Morgen, Schatz«, murmelte Edward.
    »Guten Morgen, mein Lieber«, antwortete sie und biß in ihr Butterbrötchen. Er fuhr sich durch die wirren Haare und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein.
    »Bißchen spät geworden gestern abend. Bist doch nicht sauer, oder?«
    »Aber nein, warum sollte ich?« Mit dem beflissenen Lächeln einer tscherkessischen Sklavin reichte sie ihm die Butter.
    »Na ja, ich dachte nur, weil du in letzter Zeit immer so leicht ausrastest. Aber offensichtlich hast du dich ja wieder beruhigt.«
    »Allerdings.«
    »Sag mal, willst du für längere Zeit verreisen, oder was suchen die Koffer in der Diele?« fragte Edward zwischen zwei Bissen.
    »Nein, ich habe nicht vor zu verreisen. Jedenfalls nicht heute. In den Koffern, Liebling, befinden sich deine Sachen. Ich habe sie bereits für dich gepackt.«
    »Du hast für mich gepackt? Was soll das denn heißen? Schatz, du mußt da etwas verwechselt haben.« Verständnislos sah er sie an.
    »Nein, Edward, ich habe ganz bestimmt nichts verwechselt. Dein Visum ist mit heutigem Datum abgelaufen. Ab heute wohnst du nicht mehr hier.«
    »Sag mal, bist du verrückt geworden? Was soll das denn? Natürlich wohne ich hier, und ich habe auch nicht vor, das zu ändern. Könntest du mich freundlicherweise mal aufklären?«
    »Natürlich. Das ist meine Wohnung, und da ich mich von dir trenne, mußt du eben ausziehen. So einfach ist das.«
    Edward wußte beim besten Willen nicht mehr, woran er war. Durch ihre dezente Souveränität verunsichert, versuchte er es zunächst mit Samtstimme und Kettenhundblick.
    »Schatz, jetzt beruhige dich doch mal.« Er zog Mandy an sich. »Ich weiß ja, daß es in letzter Zeit nicht gerade gut zwischen uns gelaufen ist, aber kannst du mir um Himmels willen sagen, was das jetzt soll?«
    »Da fragst du noch?« Mandy geriet allmählich in Rage. »Nach außen bin ich dein Aushängeschild für die Münchner Schickeria, der du in Gegenwart Dritter galant Champagner servierst. Kaum fällt die Wohnungstür hinter uns ins Schloß, bist du lieblos und gleichgültig. Ich bin es leid, den Blitzableiter für deine widersprüchlichen Gefühle zu spielen. Aber das ist nicht das Schlimmste. Edward, was ich will, sind Perspektiven! Verstehst du? Ich habe keine Lust mehr auf dieses ›Ich-will-mich-noch-nicht-festlegen‹. Ich will einen Mann, der weiß, was er will. Und zwar, daß er mich will! Du willst die Bequemlichkeit einer festen Partnerschaft und die Freiheiten eines Singles.«
    »Ich könnte ja versuchen, mich zu ändern. Wirklich.«
    »Du würdest dich ändern? Im Ernst?«
    »Im Ernst. Du weißt doch, wieviel du mir bedeutest. Ich liebe dich.« Er räusperte sich. »Ab heute werde ich alles wiedergutmachen.«
    »Das ist schön, Edward. Und ich freue mich auch sehr darüber.« Sie strich ihm liebevoll über die Wange. »Aber irgendwie habe ich das Gefühl, als entspränge dein Angebot deiner augenblicklichen Wohnungsnot und nicht deiner Liebe zu mir. Es tut mir wirklich leid, aber deine Koffer sind gepackt, und jetzt ziehst du dich besser an und gehst. Wenn du willst, rufe ich dir ein Taxi.«
    »Und wo soll ich dann hin, so auf die Schnelle?« Edward sah seine Felle endgültig davonschwimmen und versuchte es auf die Mitleidstour.
    »Das, mein Lieber, hast du doch immer sehr gut gewußt, wenn du dich nächtelang ohne mich amüsiert hast. Ich bin sicher, du findest einen Unterschlupf, und sollte sich doch nichts ergeben: Deine Mutter wird die Zugbrücke schon runterlassen.«
     
    Eine halbe Stunde später stand Edward Graf Habeisberg samt Mantel und Regenschirm zwischen seinen gepackten Koffern im Flur. Mandy hatte schon ein Taxi gerufen. Jetzt lehnte sie am Türrahmen und rauchte – ein Zeichen äußerster Nervosität. Sie war nach außen immer noch die Ruhe selbst, aber innerlich focht sie einen wilden Kampf aus. Wenn er jetzt ging, gab es kein Zurück.
    Das Klingeln an der Tür erlöste sie von ihren widerstreitenden Gefühlen. Edward blickte sie fragend an:
    »Also, ich geh dann jetzt.«
    Mandy gab keine Antwort. Eine einzige Silbe, und sie würde die Tränen nicht mehr
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