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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord
Autoren: Anna Kalman
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Eigentlich wirkte er wie ein gutmütiger Bär.
    »Sind das alle Unterlagen?« fragte Mandy und deutete auf die Zeitungsausschnitte.
    »Nein, nein, wir haben noch jede Menge in der Redaktion liegen. Holen Sie sich die Unterlagen doch einfach morgen vormittag ab.«
    »Gut, abgemacht. Ach, und bevor ich es vergesse: Wir sollten noch über das Honorar sprechen.« Mandy nannte einen Betrag, der ihre Klientin mehrmals schlucken ließ, doch dann versicherte sie rasch, daß dies überhaupt kein Problem sei.
     
    Nachdem Cordula Schiller sich mit einem gezwitscherten »Ciao, ciao« verabschiedet hatte, blickte Mandy ihr noch einen Moment hinterher. Sie war so zufrieden mit ihrem Auftritt, daß sie sich beinahe vor einem imaginären Publikum verbeugt hätte. Statt dessen eilte sie zum Kühlschrank und nahm die Flasche Veuve Cliquot heraus. Der Champagner lag schon seit vier Wochen im Eisfach. Für den Fall des ersten Falles.
    Mit einem triumphierenden Lachen ließ sie den Korken knallen. »Prost, Grasser! Prost, Edward!« sagte sie laut. Der Champagner schoß in einer wilden Fontäne direkt in Mandys Glas. Sie nahm es in die Hand und tanzte feierlich, den Kaiserwalzer summend, durchs Zimmer.
    Dann rief sie Dorothee an und lud sie fürstlich zum Abendessen ein. Die Tütensuppen blieben vorerst noch im Schrank.
     
    Mit einem Doris-Day-Song auf den Lippen, die Einkaufstüte unter dem Arm, stieg Mandy ein paar Stunden später die Treppe zu ihrer Wohnung hoch.
     
    »I’m strictly a female female
    and my future I hope will be
    in the home of a brave and free male
    who’ll enjoy being a guy
    having a girl like me …«
     
    Edward! Er stand direkt vor ihrer Tür. Den Mantelkragen hochgeschlagen, den Kopf eingezogen. Mandy blieben die letzten Töne in der Kehle stecken. Was wollte der denn hier?
    Koffer waren keine zu sehen. Mandy stellte erleichtert die Einkaufstüte ab und musterte ihn gespannt. Seine Miene ähnelte der eines ausgesetzten Basset Hounds, der den weiten Weg zurück zu seinem Frauchen gefunden hat.
    »Entschuldige, daß ich dich schon wieder belästige«, sagte der Basset mit hängenden Ohren. »Darf ich kurz mit reinkommen?«
    »Bitte sehr«, antwortete Mandy, »aber wirklich nur kurz, ich erwarte Besuch.«
    »Du scheinst dich ja prächtig zu amüsieren. Das hat ja nicht lange gedauert.«
    »Ich kann nicht klagen, bis eben ging es mir noch prima.«
    »Wer kommt denn zum Essen, ein Mann?« fragte er mit einem Seitenblick auf Mandys Einkäufe.
    »Nein, ein Alien«, meinte Mandy und schloß die Wohnungstür auf.
    Ironie hatte Edward noch nie besonders gut vertragen, und er reagierte auch jetzt gereizt. »Da hast du dir ja sehr schnell einen Notnagler zugelegt.«
    Er war tatsächlich eifersüchtig. Vor ein paar Wochen noch hätte Mandy sich über diese allzu menschliche Regung gefreut, jetzt empfand sie seine Bemerkung nur noch als anmaßend.
    »Laß diese respektlosen Anspielungen. Ist das deine Art, im nachhinein dein schlechtes Gewissen zu beruhigen?«
    »Tut mir leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin«, versuchte Edward sich zu entschuldigen. »Ich bin hier, weil ich meinen Staubsauger abholen möchte. Mutter braucht ihn.« Er war jetzt ziemlich indigniert.
    »So, Mutter braucht ihn.« Mandy zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Und wir wollen Mutter ja nicht enttäuschen. Wohnst du jetzt wieder bei Mutter?«
    »Bitte, nenn du sie nicht Mutter!«
    »Oh, Verzeihung! Ich vergaß, so weit ist es ja nie gekommen. Ich kenne das Glücksgefühl nicht, eine fremde Frau ›Mutter‹ zu rufen. Immerhin durfte ich sie ja mit ihrem Vornamen anreden. Gwendolyn …« Mandy zog das Wort betont in die Länge.
    »Lassen wir das jetzt«, sagte Edward mißgestimmt. Er konnte es immer noch nicht fassen, daß sie sich so sang- und klanglos von ihm getrennt hatte. »Kann ich jetzt den Staubsauger haben?«
    Mandy holte das multifunktionale Prachtstück aus der Abstellkammer. Es war ein echter Hoover mit einer Saugkraft von zweitausend Watt und integriertem Staubmilbenkiller, ein Weihnachtsgeschenk von Gwendolyn für ihren Sohn. Edward nahm ihn so liebevoll in Empfang wie ein Vater, der sein verloren geglaubtes Kind wiedergefunden hat.
    »Könntest du mich vielleicht nach Hause fahren?« fragte er. »Das Ding hier ist ohne Auto ziemlich schwer zu transportieren, und mein Wagen ist beim Kundendienst.«
    »Edward, ich hab dir doch gesagt, daß ich wenig Zeit habe. Nimm den Bus oder die U-Bahn. Ich muß mich jetzt endlich um das Essen
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