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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt
Autoren: Ronald M. Hahn
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mit ihnen unter einer Decke steckten. Spätpubertierende Jugendliche aus dem Universitätsviertel, die mit Krawallen ihre Frustrationen abreagierten. Für Torku-hit waren die Taraner ohne Ausnahme Kinder, und für ihren Eidverbund hatte er nichts als Verachtung übrig. Und erst die Parolen, hinter denen sie herliefen: Der ideale Staat! Die absolute Gleichheit! Es waren die Dogmen von Verblendeten, für die man immer und überall intellektuelle und verrückte Schwärmer begeistern konnte – und gefährliche Narren, die sogar dafür zu töten bereit waren. All das war nur eine Rechtfertigung ihrer Taten, die unausgewogen, unzusammenhängend auf Vernichtung hinausliefen. Und im Moment rannten sie wahrscheinlich, krank vor Angst, durch die Straßen der Stadt, während Rora-da die feuerspeienden Rohre seiner Geschütztürme auf sie hielt und tötete, was sich bewegte.
    Torku-hit hörte nun auch Stimmen. Unbegreifliche Worte, die in Fetzen auf ihn eindrangen. Er hatte das taranische Geschwätz nie gut verstehen können, und das war auch kein Wunder. Ihre Sprache war die Sprache von Untermenschen, und sie klang sehr aufgeregt.
    Jetzt fingen die Gewehre wieder an zu knattern. Es wurde also auch weiterhin gekämpft, wenn auch nicht mit den Tanks. Es schien, als hätten sich zwei Rebelleneinheiten gegenseitig unter Feuer genommen, denn es war unmöglich, daß sich Rora-das Männer zu Fuß in die Straßen der Stadt hineinbegeben hatten. Das war nicht nur strikt verboten, sondern auch in den acht Jahren ihrer Anwesenheit kein einziges Mal vorgekommen. Amarun war schließlich kein Narr, einen solchen Befehl würde er niemals geben.
    Die Schüsse blitzten nun in Torku-hits unmittelbarer Nähe auf. Er warf einen Blick durch ein zerbrochenes Fenster und sah, daß das Feuer von der anderen Seite erwidert wurde. Sie gingen nicht gerade methodisch zu Werke. Bei einem Straßengefecht war es ein Fehler, gegen die Häuserwände gepreßt stehenzubleiben. Man mußte schießen und sofort den Standort wechseln, um dem Gegner nicht die Möglichkeit zu geben, sofort zu kontern. Man schoß, um zu töten und den Feind auszuschalten; nicht, um ihm eine Visitenkarte zu hinterlassen. Es war für Torku-hit klar, daß er es hier nicht mit seinesgleichen zu tun hatte.
    Er stellte fest, wie mitgenommen seine Uniform aussah. Die Beinschützer waren zerfetzt, und er hatte eine leichte Wunde am rechten Unterschenkel, genau unter dem Knie. Sein linkes Auge schien geschwollen und seine Nase gebrochen zu sein. Torku-hit betastete sein Gesicht und stellte fest, daß seine linke Augenbraue so stark geblutet hatte, daß die Härchen fest aneinanderklebten. Er befühlte die Wunde. Das mit dem Auge war zu ertragen, aber seine Nase fühlte sich an, als sei sie zu ihrer doppelten Größe angeschwollen. Zudem hatte er Schmerzen in der Nierengegend. Wenn er allerdings darüber nachdachte, was mit seinen Leuten geschehen war, kam er nicht umhin, seinen Zustand als äußerst positiv einzustufen.
    Die Fremden, die in der Nähe des Werkes kämpften, schienen ihre Schlacht offenbar beenden zu wollen. Die Schüsse fielen nun wieder vereinzelter und wurden von dem Sturm, der über der Stadt wütete, beinahe verschluckt. Vorsichtig tastete sich Torku-hit wieder an das Fenster heran und unternahm den Versuch, die Straße zu überblicken. Er sah verschwommene Mauern und blinde Fensterscheiben, und von der Hauptstraße her, über die er ebenfalls gekommen war, schienen die aufflackernden Leuchtreklamen zu ihm herüber. Eine tödliche, geheimnisbewahrende Straßenecke bot sich seinen Blicken dar, wo die Gefahr unsichtbar hauste und wo nun jetzt nur noch die Patronenhülsen der entschwundenen Aufrührer den Boden bedeckten.
    In der Nähe des Fensters bewegte sich etwas. Es mußte genau neben dem Seiteneingang sein, fand Torku-hit. Sein Gefahrensinn arbeitete mit voller Kraft, und seine Muskeln spannten sich. Das Alarmtraining hatte sich also ausgezahlt. Ein Bewaffneter hielt sich neben der Tür auf.
    Torku-hit hatte eigentlich nicht vorgehabt, irgendein Risiko einzugehen, aber irgendwie war etwas mit den Informationsimpulsen, die sein sonstiges Verhalten steuerten, seit der Explosion am Tunnel geschehen. Man hatte ihn dazu programmiert, sich wie ein Offizier des Imperiums zu verhalten. Man hatte ihn einem äußerst strengen Selektionsverfahren unterworfen und große Summen in seine Ausbildung investiert. Aber nicht ein einziges der Testprogramme hatte die Möglichkeit enthalten,
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