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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt
Autoren: Ronald M. Hahn
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Halstuch war heruntergerutscht und zeigte sein Gesicht. Der Bursche war genau der Typ des gegen alles und jeden aufbegehrenden Studenten. Zwar waren seine Augen starr wie die eines bereits Toten, aber er lebte noch, daran gab es keinen Zweifel. Und man sah, daß der Bursche trotz seiner taranischen Abstammung intelligent war.
    Torku-hit vermutete, daß der Fremde auf der linken Körperseite von einem Steckschuß getroffen worden war, denn er unternahm verzweifelte Anstalten, auf die andere Seite zu liegen zu kommen. Seine Hose war auf der linken Seite von der Hüfte bis zum Knie rostbraun verfärbt. In den Händen hielt der Bursche einen blutdurchtränkten Lappen, mit dem er offenbar versucht hatte, die Blutung zum Stillstand zu bringen. Seine Hände waren verschmiert. Auch er schien mithin zu jenen zu gehören, die sich in Kämpfe stürzten, ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, was das bedeuten konnte. Wieder so einer , dachte Torku-hit, der sich anmaßt, von heute auf morgen eine Technologie begreifen zu können, für deren Verständnis man Jahre aufwenden muß. Die größten Risiken werden immer von denen eingegangen, die die wenigste Ahnung haben.
    »Du sprechen«, sagte er. Sein Taranisch war furchtbar schlecht. Der Bursche sah ihn mißtrauisch an. Es schien, als saugten sich seine Augen an Torku-hit fest. Das war natürlich eine normale Reaktion. Zuerst Angst und Mißtrauen.
    »Name?«
    »Ich habe keinen Namen«, erwiderte der Bursche in perfektem Imperialisch.
    »Hast du unsere Sprache auf der Universität gelernt?« fragte Torku-hit und fügte kühl feststellend hinzu: »Also hast du Humanwissenschaften studiert.« Er hatte keinesfalls vor, sich von der gewählten Ausdrucksweise dieses Burschen beeindrucken zu lassen. Bei Verhören mußten Gefühle unter allen Umständen vermieden werden. Was zählte, war das Sammeln von Informationen, weiter nichts.
    »Selbstverständlich bist du ein Terrorist und hast an dem Überfall auf den Tunnel teilgenommen«, stellte er mit distanzierter Sachlichkeit fest.
    Keine Reaktion. Vielleicht sollte er forscher zu Werke gehen.
    »Ihr hattet wirklich alles ziemlich gut aufeinander abgestimmt«, fuhr er fort. »Die Zerstörung des Tunnels war eine echte Meisterleistung. Offenbar habt ihr wirklich jemanden, der etwas von solcher Arbeit versteht.«
    Warum stand er eigentlich hier so selbstbewußt und pflichtbesessen herum und tat so, als sei er noch einer der Mächtigen? Um vor dem Burschen Eindruck zu machen? Um ihn nicht merken zu lassen, daß er sich selber auf der Flucht befand? War das überhaupt nötig? Saß dieser Bursche nicht noch mehr in der Tinte als er selbst und war es jetzt überhaupt noch von Wichtigkeit, ihn danach zu fragen, wer er war und was er getan hatte, wer seine Führer waren, zu welcher Gruppe er gehörte und von wem er seine Befehle erhielt?
    »Ich habe deine Sprache auf der Universität gelernt«, sagte der Bursche plötzlich. »Und weißt du, warum? Damit ich bei der erstbesten Gelegenheit den Imperialen meine Ansichten über das, was sie sind, darlegen kann. Schweine!«
    Er wiederholte das Schimpfwort noch einmal, wohl um damit zu zeigen, wie überlegen er sich fühlte.
    »Des weiteren habe ich nicht vor, etwas zu erzählen, mit dem du in deiner Kaserne angeben kannst. Eins kannst du allerdings ruhig wissen und auch weitergeben: daß ich nämlich dabei bin, zu krepieren.«
    Der Bursche hatte all das ohne die geringste Stockung gesagt, und das bedeutete für Torku-hit, daß seine Lungen, sein Herz und sein Magen noch ausgezeichnet arbeiteten. Seine Blessuren hatten nur deshalb einen so großen Eindruck hervorgerufen, weil er eine Menge Blut verloren hatte. Er war also weniger verletzt, als es den Anschein hatte.
    Torku-hit hatte es also mit einem Kriegsgefangenen zu tun, der an irgendeine fanatische Ideologie glaubte und sich, hervorgerufen durch die mystische Atmosphäre, der er sich verpflichtet fühlte, für einen sterbenden Märtyrer hielt. Er erinnerte sich an gewisse Methoden, die dazu geeignet waren, hartnäckigen Schweigern den Mund zu öffnen. Die Mächtigen hatten streng darauf geachtet, daß allen ihren Offizieren eine solche Ausbildung zuteil wurde, und bisher hatte sie sich nicht als überflüssig erwiesen.
    »Ich kann dich zum Sprechen bringen«, sagte Torku-hit selbstsicher und ein bißchen zynisch.
    Er entschied, daß jetzt, wo der Bursche erst einmal ausgeschaltet war, eine gute Gelegenheit bestand, die nächste Umgebung
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