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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt
Autoren: Ronald M. Hahn
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Beispiel die Belgier Eddy C. Bertin und Bob van Laerhoven gleich von vornherein dazu übergehen, ihre Romane und Erzählungen in englischer Sprache zu schreiben und auf dem britischen und amerikanischen Markt anzubieten.
    Obwohl die niederländischschreibende Literaturszene des vorigen Jahrhunderts (man denke nur an Felix Timmermans, Charles De Coster und Conscience) relativ reich an Phantasten war, entwickelte sich die moderne Science Fiction in Holland und Belgien erst recht spät. Noch bis in die frühen sechziger Jahre hinein waren interessierte Leser des Genres darauf angewiesen, vorwiegend englische oder amerikanische Originalausgaben zu lesen.
    Das Erscheinen erster Übersetzungen zog jedoch nicht automatisch eine Förderung einheimischer SF-Autoren nach sich. Die rasch anwachsende SF-Lesergemeinde brachte zwar eine Reihe junger Talente hervor, doch ehe sie ihre Chancen erhielten, waren sie gezwungen (und das ist, zumindest was die SF angeht, ein internationales Phänomen), ihre Werke in sogenannten »Fanzines« (das sind hektographierte Mini-Zeitschriften mit Auflagen von hundert oder ein paar mehr Exemplaren, die interessierte Fans sich gegenseitig zuschicken) zu publizieren, um erste Resonanzen zu erzielen.
    Nach und nach schafften es die Unermüdlichen (unter Hinweis auf ihre im Ausland erschienenen Romane und Erzählungen), in die etablierten Verlage einzudringen. Was nicht heißt, daß sie jetzt in den Programmen dominieren: man kann ihre Werke immer noch innerhalb eines Jahres an fünf Fingern abzählen. Wer nicht gleich mit romanlangen Texten aufwarten kann, hat es auch heute noch schwer genug; deswegen besteht die moderne niederländische und flämische SF vorwiegend aus Anthologien, die in den letzten Jahren, was ihre Zahl anbetrifft, erfreulich zugenommen haben.
    Nicht alle Beiträger dieses Bandes gehören der Science Fiction-Szene an. Max Dendermonde, Manuel van Loggem und Olga Rodenko etwa sind eher für ihre mainstream fiction bekannt und unternehmen nur gelegentliche Ausflüge in das Reich der Phantastik. Möglicherweise trägt dieses Buch dazu bei, daß auch hierzulande bald die allzu starre Fixierung auf die angloamerikanischen Vertreter der Science Fiction einem Korrosionsprozeß unterworfen wird. Auch in anderen Sprachen existieren überaus lesenswerte SF-Erzählungen, die auf Übersetzung warten.

    Ronald M. Hahn

Harry Mulisch
Alter Ego
    Wahrscheinlich war das verspätete Einladen der Post und des Frachtgutes daran schuld, daß der Stationsvorsteher ungeduldig auf seiner Pfeife blies. Ein verspäteter Passagier, augenscheinlich ein Student, kam noch angerannt und ließ sich etwas später Mijnheer Tiennoppen gegenüber auf die Bank fallen. Mijnheer Tiennoppen dachte an die Frau, die auf diesem Platz gesessen hatte und soeben ausgestiegen war. Sie hatte ihn sekundenlang verwirrt angestarrt und war dann in Tränen ausgebrochen. Erschreckt war er aufgestanden und hatte mit Taschentuch und Zigarette herummanövriert. Was denn los sei? Ob er helfen könne?
    Oh, wenn er doch nur wüßte, wenn er nur wüßte! Eine Geistererscheinung sei er! Aufs Haar! Ihr seliger Mann, ihr Karel sei auferstanden von den Toten. Wie denn, er sei gar nicht Karel? Die Augen, der Mund und sogar die Kleidung …
    Gut, daß sie ausgestiegen ist, sagte sich Mijnheer Tiennoppen. Es war unerträglich gewesen. Außer sich war sie über den Bahnsteig gestolpert.
    »Mijnheer Jaarsma!« schrie plötzlich der Student, der ihm gegenüber saß, während er jubelnd aufsprang, die Arme himmelwärts gestreckt. »Mijnheer Jaarsma!«
    Da der Zug gerade anruckte, plumpste er sofort wieder auf die Bank zurück. Mit beiden Händen griff er Mijnheer Tiennoppen bei den Schultern und schüttelte ihn. »Mijnheer Jaarsma! Wie ist das möglich?«
    »Es ist nicht möglich«, sagte Mijnheer Tiennoppen schwankend zwischen Ergebenheit und Verblüffung und wehrte diese Zudringlichkeit ab. »Mein Name ist Tiennoppen.«
    Der Student warf den Kopf nach hinten und lachte laut. »Immer noch derselbe Illusionist!«
    »Wie bitte?«
    »Hahahaha! Der Jaarsma!«
    »Tiennoppen!«
    Der Student verschluckte sich nun vor Lachen, lief rot an und ließ den Kopf hüstelnd und räuspernd zwischen seine Knie sinken, war einen Augenblick lang still, warf sich dann wieder hintenüber auf die Bank und brüllte vor Lachen. »Ich kann nicht mehr!« schrie er.
    »Ich auch nicht«, kündigte Mijnheer Tiennoppen an.
    Der Student wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und
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