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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt
Autoren: Ronald M. Hahn
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dieser Leute.
    »Warum sinnlos?« fragte Torku-hit. Er wußte, daß der Bursche ihm auch diesmal keine Antwort geben würde.
    Das Rattern der Fabrik erfüllte mit ihrer Monotonie die Nacht.
    Die Leuchtreklamen gingen ihrer stumpfsinnigen Programmierung nach und schalteten sich an und aus. In der Ferne loderte das von der Explosion des Tunnels erzeugte Feuer hoch am Himmel. Blaugrüne Flammen. C HEMICOR .
    »Ich rate dir, dich nicht zu bewegen.«
    Der Bursche lächelte schwach. Warum sollte er sich überhaupt noch bewegen? Er hatte während seines Fluchtversuchs noch mehr Blut verloren und schien auch keine Lust mehr zu haben, sich mit einem Offizier des Imperiums zu messen. Er lag apathisch zwischen den Folianten und war damit beschäftigt, eine Stellung zu finden, die nicht untertänig wirkte und ihm außerdem die wenigsten Schmerzen bereitete. In jedem Fall mußte ihm jetzt klar sein, daß ein weiterer Fluchtversuch ausgeschlossen war.
    Torku-hit betrachtete das Gewehr, das er erbeutet hatte. Es war eine Rondix 20 oder jedenfalls eine ziemlich genaue Kopie dieses Fabrikats. Die Terroristen führten meist Waffen dieser Marke bei sich. Dies hier war eine ältere Ausführung des Gewehrtyps, den sie heimlich in ihren unterirdischen Verstecken produzierten. Es lag, was die ballistischen Qualitäten anbetraf, weit unter den Waffen, die die Imperialen benutzten.
    Torku-hit hängte das Gewehr über die Schulter und drang erneut in die Finsternis des Korridors ein. Der Modergeruch, der hier herrschte, führte dazu, daß ihm beinahe schlecht wurde. Wieder schlängelte er sich vorbei an verrotteten Büromöbeln, nasen- und ohrenlosen Gipsköpfen und drückte schließlich die zu den Produktionsstätten führende Tür mit dem Gewehrkolben auf. Obwohl er ungeheuer vorsichtig zu Werke ging, löste sich eine verfaulte Planke aus dem Türrahmen und fiel polternd zu Boden.
    Der dahinterliegende Raum sah noch schrecklicher aus als der, aus dem Torku-hit gekommen war: ein Schrotthaufen, eine wirre Ansammlung von Stahl- und Eisenteilen, und durch große Löcher in der gegenüberliegenden Wand konnte er das Leuchten des Containerbrandes erkennen. Dazu Hunderte und Tausende von aufleuchtenden Lichtreklamen.
    Kein Mensch. Keine Bewegung. Nur Licht und Lärm. Knarren und Dröhnen. Das Rasseln von Ketten und das Schleifen von Fließbändern, die es nirgendwo zu sehen gab. Die Geräusche produzierender Maschinen nahmen den Raum ein wie eine Illusion, aber nirgendwo bewegte sich auch nur das kleinste Rädchen.
    Der geflüchtete Offizier stand wie erstarrt. Ihm wurde klar, daß hier ein riesenhafter Betrug im Gange war, obwohl ihm noch kein Gedanke signalisierte, wer hier der Betrüger und wer der Betrogene war. Er beherrschte sich, nahm kühl die Informationen in sich auf und versuchte aus allem, was er sah, einen Zusammenhang herauszulesen. Schließlich bemerkte er, woher die Geräusche, die ihn die ganze Zeit über genarrt hatten, kamen: an der Decke und den Wänden des Raumes hingen Lautsprecher.
    Hastig eilte Torku-hit zurück. Er nahm jetzt keine Rücksicht mehr darauf, daß die Gipsköpfe reihenweise umfielen und scheppernd zu Bruch gingen. Irgend etwas stimmte mit der Logik nicht. Er mußte mehr aus dem Burschen herausbekommen.
    »Du weißt, was hier vorgeht«, sagte er mit einer solchen Kälte, daß die Selbstsicherheit des Gefangenen sich sofort verflüchtigte. Sein starrer Blick wurde unsicher.
    »Ich rate dir, mir zu sagen, was du weißt, solange ich dir noch eine Chance dazu gebe!« Das war deutlich genug. Es war wichtig, dem Gefangenen klarzumachen, daß mit einem Offizier des Imperiums nicht zu spaßen war.
    »Die Wahrheit des Verborgenen ist auf immer verborgen in uns«, erwiderte der Bursche. »Ein Zitat des unterentwickelten Taraners Kandoran.«
    Auf seine Art schien der Student nicht weniger haßerfüllt zu sein als Torku-hit selbst. Aber er sagte seine Worte auf eine andere Art. Zynischer. Es war anmaßend und nicht tolerierbar.
    »Kandoran war einer unserer Vorfahren. Er hat den ganzen sogenannten technischen Fortschritt nicht nur für sehr fragwürdig gehalten, sondern auch für hoffnungslos rückschrittlich. Kein Wunder, daß man nicht viel Respekt gegenüber eurer elektronischen Vorherrschaft hat. Kandoran sagte ein paar gute Sachen. Zum Beispiel diese: Blumen haben deswegen keine Sprache, weil sie ihre Zeit nicht damit vergeuden wollen, über ihre Verfehlungen zu sprechen. Statt dessen verfügen sie über die
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