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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt
Autoren: Ronald M. Hahn
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ein Held zu sein, der sich besonders großartig aufführen mußte. Ein schwieriger Fall, wahrscheinlich nicht mehr in eine geordnete Gesellschaft zu integrieren. Torku-hit zweifelte nicht daran, daß er einen Menschen vor sich hatte, der sich nur deswegen so verhielt, weil er verbildet war.
    »Ich will wissen, was hier vor sich geht«, sagte er nüchtern. Von nun an würden sich seine Verhörmethoden genau nach jenem Schema entwickeln, die vorgegeben waren. Ruhig wiederholte er: »Ich sagte, daß ich deine Hand auf dem Boden festnageln werde.«
    »Was hier vorgeht? Nichts Besonderes. Die Stadt liegt im Sterben, das ist alles …« Der Gefangene sprach mit einem hoffnungslosen Lächeln. »Es herrscht Nahrungsmangel. Es herrscht außerdem ein besonders großer Mangel an Eiweiß. Wir haben zu wenig Vitamin A, deswegen hat sich die Anzahl an Erblindeten besonders drastisch erhöht. Das Hinterland ist seit langem ausgelaugt wie eine Kuh, die zehn Kälber zu säugen hat. Obwohl wir nur einen Mund haben, kommt das Imperium nicht umhin, die restlichen neun zu stillen. Es ist unersättlich. Es schleppt alles weg und läßt uns sterben, ohne uns zu töten.«
    »Es ist wichtiger, daß das Imperium lebt als Taran.«
    »Du willst also wissen, was hier vorgeht. Die einzige Hoffnung, die wir noch haben, ist die der Ausbeutung des Ozeans. Alle regulären Fabriken wurden deswegen stillgelegt. Sie arbeiten nur noch zum Schein. Weil wir die Imperialen auf eine falsche Fährte locken wollen.«
    War es für einen Offizier in dem Moment, da sich die Zunge des Burschen löste, besser, wenn er sich still verhielt? Wahrscheinlich ja. Er mußte zuhören und Fakten sammeln. Wenn man sie einmal so weit hatte, daß sie zu beichten anfingen, gab es meist so schnell kein Ende.
    »Wir müssen einen Ausbruch versuchen.« Waren es Tränen oder Schweißtropfen, die an den Wangen des Burschen herabliefen? »Der Ring, der uns vom Ozean fernhält, muß fallen. Nur das Plankton kann uns noch retten. Das Plankton kann uns geben, was wir nötig haben: Eiweiße, Kohlehydrate, Fette und Vitamine. Wenn wir es bearbeiten, erhalten wir wieder Aminosäuren, Histidine, Argirine und Tryptophane. Das Plankton stellt unsere einzige Überlebenschance dar. Wir haben kaum mehr Zeit, eine vernünftige Planung aufzustellen. Und dennoch müssen wir es schaffen, innerhalb kürzester Zeit.«
    Torku-hit hörte ihm andächtig zu. Er verstand jetzt überhaupt nichts mehr.
    »Taran stirbt. So wie ich. Ich sterbe durch deine Hände, weil du mir nicht helfen kannst; Taran durch eure Hände, weil ihr unseren Tod wünscht.«
    Der Bursche hatte etwas Pathetisches an sich. Diese Art von Terroristenpathos kannte Roku-hit nur zu gut aus seinen Ausbildungskursen.
    »Es liegt allein an den Mächtigen, zu beschließen, ob Taran stirbt oder nicht«, erwiderte er gelassen. Die Ruhe, die er selbst ausstrahlte, mußte auf den Burschen übergreifen und Vertrauen erzeugen. Wenn der Terrorist ihm erst einmal vertraute, konnte er vielleicht noch einige wichtige Details in Erfahrung bringen, die die verworrenen Informationen zu einem begreifbaren Ganzen machten. »Ihr habt nie eine ernsthafte Kontrolle der Container durchgeführt«, sagte der Bursche.
    »Vor Jahren taten wir das. Die Vorschriften wurden inzwischen verändert.« Torku-hit seufzte. Natürlich war er damit nicht einverstanden gewesen.
    »Die Container sind seit langem leer, Offizier«, fuhr der Junge fort. Sein Gesicht wurde plötzlich rot, als der Schein der Leuchtreklame von draußen darauf fiel.
    Torku-hit erschauerte und fragte sich, welchen Nutzen er aus all diesen Enthüllungen ziehen konnte. Mit seinem Messer spielend, dachte er an den Herbst zurück, in dem er seine Eltern verlassen hatte, um in das Lager der Imperialen zu gehen. Junger Mann – du suchst einen Beruf, der alle deine Träume erfüllt? Schließ dich uns an! Die schmucke Uniform. Die galanten Offiziere des Imperiums. Das hatte ihn in der Tat zu Träumen angeregt.
    »Die Mächtigen haben uns vergessen. Und euch dazu. Wir kosten sie zuviel Geld. Und auch die Garnison ist zu teuer. Die Erschließungskosten sind zu hoch. Es lohnt sich nicht, Taran ewig besetzt zu halten. Man hat uns bereits abgeschrieben, genauso wie eure Garnison.«
    »Ach was.« Torku-hit veränderte seine Stellung nicht. Immer noch hielt er den Kopf etwas zur Seite gewandt. So hatten sie zu Hause ein Foto von ihm. Eine majestätische Haltung. Eine imposante Erscheinung.
    »Sie haben die Garnison
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