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Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Titel: Die Tage des Regenbogens (German Edition)
Autoren: Antonio Skármeta
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sie verbraucht zu viel Strom und dass sein Gehalt nicht reicht, damit wir sie den ganzen Winter laufen lassen können. Ich schlüpfe unter die Wolldecke.

SECHS
    » A lso?«
    »Meine Antwort ist ›Nein‹.«
    »Bedenken Sie, dass das Honorar sehr hoch ist.«
    »Aus reiner Neugierde, wie hoch ist denn das Honorar?«
    »Sie selbst legen es fest. Nach oben offen.«
    Bettinis Blick schweifte über die Wand hinter dem Schreibtisch. Dort hing als Einziges ein Farbfoto des Diktators, so als sollte nichts ihm seine Stellung streitig machen.
    »Das ist wirklich das beste Angebot, das ich in meinem Leben erhalten habe. Ich ärgere mich schwarz, dass ich es ablehnen muss, zumal es bei mir finanziell nicht gerade rosig aussieht.«
    »Bei einem Star wie Ihnen!«
    »Die Werbeagenturen haben von Ihrem Ministerium eine schwarze Liste erhalten, es wird ›empfohlen‹, mich nicht zu beschäftigen.«
    »Mein Gott! Wovon leben Sie, Bettini?«
    »Meine Frau arbeitet, und ich bringe mit den Jingles, die ich unter Pseudonym komponiere, ein paar Pesos nach Hause.«
    Der Minister wiegte in einer Mischung aus Mitgefühl und Verärgerung den Kopf. Dann klopfte er sich mit dem Finger auf die Unterlippe.
    »Gut, Bettini. Also was?«
    »Ich habe lange darüber nachgedacht. Danke, Herr Minister, ich bleibe beim ›Nein‹.«
    »Aus moralischen Gründen?«
    »Aus moralischen Gründen, ganz richtig.«
    Er stand auf und strich sich das Jackett glatt.
    »Aber Ihr jetziges Verhalten ist auch nicht moralisch. Es ist ethisch nicht zu vertreten, dass Sie ein Angebot ablehnen, nur weil Sie andere politische Ansichten haben. Stellen Sie sich einen Arzt vor, der sich weigert, einen Kranken zu behandeln, weil er sein politischer Feind ist. Würden Sie sagen, sein Verhalten ist ethisch vertretbar?«
    »Wenn der Kranke Pinochet ist, würde ich, offen gestanden, ›Ja‹ sagen.«
    Der Minister trat ans Fenster und schob den Vorhang ein wenig zur Seite. Man sah wie immer zu dieser Tageszeit den dichten Smog über Santiago.
    Er hatte dem Werbefachmann den Rücken zugekehrt und sprach mit ihm in schneidendem Ton.
    »Bettini, ich bedauere, dass ich nicht auf Ihre Dienste zählen kann. Es wird ein schwieriger Wahlkampf werden. Danke, dass Sie gekommen sind.«
    Er blieb, so, wie er war, am Fenster stehen. Bettini rührte sich nicht, sodass der Minister sich schließlich genötigt sah, sich zu ihm umzudrehen.
    »Noch etwas?«
    »Ja, mein Herr. Sie haben mich hierher bestellt, und ich habe Ihnen vertraut. Ich möchte gern genauso wieder gehen, wie ich gekommen bin. Haben Sie mich verstanden?«
    Der Mund des Ministers weitete sich zu einem breiten Grinsen, gefolgt von lautem Lachen.
    »Ich garantiere es Ihnen.«
    »Danke.«
    »Keine Ursache.«
    Der Teppich dämpfte seine Schritte zur Tür. Seine Erleichterung über das Erreichen der Türklinke brach jäh ab.
    »Bettini?«
    »Señor?«
    »Bettini, wenn Sie mir einen großen Gefallen tun wollen, lehnen Sie es ab, die Kampagne Nein zu Pinochet zu übernehmen.«
    »Gut, Señor Fernández.«
    »Adiós, Bettini.«

SIEBEN
    E s klingelt. Vater kann es nicht sein, er hat einen Hausschlüssel. Wenn es die Polizei ist, bedeutet das nach dem Plan »Barock«, dass sie mich entweder holen oder Papas Sachen durchsuchen wollen. Ich springe auf und werfe einen Blick auf seinen Schreibtisch. Dort liegt ein Brief an den Erziehungsminister Señor Guzmán, in ihm steht, dass unsere Schule, in der Papa Lehrer ist und ich Schüler, nicht länger unter der Leitung eines Armeeoffiziers stehen dürfe. Die Anwesenheit des Offiziers in der ältesten Schule des Landes sei ein Angriff auf die Würde der Lehrer und die Meinungsfreiheit. In dem Manifest ist die Rede von »den Unterzeichnern«, doch die einzige Unterschrift ist die des Philosophielehrers Santos. Ich zerknülle das Blatt und werfe es aus dem Fenster.
    Es klingelt noch einmal, und ich ziehe mir den Mantel an. Wenn sie mich mitnehmen, dann besser im Mantel. Ich bin sehr verfroren. In der Schulpause suche ich immer eine sonnige Wand und verschränke die Arme, so als könnte ich auf diese Weise die Wärme festhalten. Als ich aufmache, zeigt sich, dass der Finger auf der Klingel Patricia Bettini gehört. Sie fällt mir um den Hals. Und sagt: »Mein armer Liebster.«
    Sie fragt mich, ob ich zu Mittag gegessen habe. Ich erwidere, dass ich gefüllte Kartoffeln nicht mehr sehen kann. Dann geht sie in die Küche und macht aus Öl, Eiern, Käse und Tomaten ein Omelett. Sie teilt es in zwei
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