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Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Titel: Die Tage des Regenbogens (German Edition)
Autoren: Antonio Skármeta
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Minister. Ich beglückwünsche Sie zu diesen demokratischen Anwandlungen. Dürfte ich jetzt erfahren, warum Sie mich herbestellt haben?«
    Der Staatsmann erhob sich mit seltsam feierlichem Gebaren und strich über die Troddeln an den Vorhängen seines Bürofensters.
    »Ich weiß, dass Sie ein überzeugter Gegner unseres Regimes sind«, sagte er mit dem Rücken zu ihm. »Ich weiß auch, dass Angestellte meiner Abteilung Ihnen bei einer Gelegenheit Respekt eingeflößt haben.«
    »Respekt eingeflößt. Das ist ein bemerkenswerter Euphemismus, Señor Fernández!«
    Der Minister wandte ihm das Gesicht zu und wedelte mit dem Zeigefinger.
    »Nur damit Sie es wissen, ich habe mit diesen Herren ein ernstes Wort geredet.«
    »Mein gebrochenes Schlüsselbein dankt es Ihnen. Würden Sie mir jetzt sagen, was Sie von mir wollen?«
    Fernández verschränkte die Hände vor dem Mund und legte die Daumen ans Kinn.
    »Vor fünfzehn Jahren war ich Manager bei Coca-Cola, und Sie haben meine Bewunderung erregt mit Ihrer Werbekampagne für ein neues Erfrischungsgetränk, Margot , das diesen seltsam bitteren Geschmack hatte. Es war sehr schwer, ein Getränk mit bitterem Geschmack am Markt einzuführen, weil alle an süße Erfrischungsgetränke gewöhnt waren. Erinnern Sie sich?«
    »Ich erinnere mich, Herr Minister.«
    »Erinnern Sie sich auch noch an den Slogan dieser erfolgreichen Kampagne?«
    »Ja. › Margot , bittersüß wie das Leben.‹«
    »Genial, Bettini, genial!«
    »Sagen Sie bloß, Sie haben mich herzitiert, um mich für einen Slogan von vor fünfzehn Jahren zu beglückwünschen.«
    Der Minister rieb sich die Faust.
    »Nein. Aber ich habe jetzt ebenfalls ein Produkt zu verkaufen, das für die Bevölkerung bitter ist: weitere acht Jahre Pinochet.«
    Bettini konnte sich nicht entscheiden, ob er lächeln oder ungerührt blicken sollte.
    »Herr Minister, was möchten Sie, dass ich für Sie tue?«
    »Bevor die Opposition Sie zum Kreativdirektor ihrer Kampagne Nein zu Pinochet ernennt, was sie vermutlich vorhat, möchte ich Ihnen vorschlagen, unsere ›Ja‹-Kampagne zu leiten.«
    »Ja zu Pinochet?«
    » Ja zu Pinochet . Ich hätte mit allem von Ihnen gerechnet, nur nicht damit, dass Sie lächeln. Sie wissen nicht, wie erleichtert ich bin. Sagen Sie, warum lächeln Sie?«
    Der Vater von Patricia Bettini presste sich drei Finger an die Nasenwurzel, so als wollte er einen Schmerz bekämpfen.
    »Was für Wendungen das Leben nimmt! Als Pinochet putschte und Sie zum Minister ernannt wurden, verlor ich meine Arbeit, man nahm mich fest und folterte mich. Und jetzt bietet mir dieselbe Person, die dafür verantwortlich ist, dass ich meine Arbeit verlor und festgenommen wurde, erneut einen Auftrag an.«
    »Ich gebe zu, die Situation hat etwas Paradoxes. Aber Sie sind der beste Werbefachmann des Landes, und für diese Kampagne will ich nur den Besten. Einen Profi! Sie können unsere Regierung kritisieren, so viel Sie wollen, aber eines müssen Sie anerkennen, wir haben eine hervorragende Riege an Fachleuten. Die Wirtschaft boomt!«
    »Für die Reichen.«
    »Nicht mehr lange, dann ist der Reichtum so groß, dass er auf die Armen übergehen wird.«
    »Da haben Sie doch schon Ihren Slogan: ›Wenn die Reichen sich vollgefressen haben, werden sie die Reste des Banketts den Armen hinwerfen.‹«
    »Ich bin mir sicher, Ihnen fällt noch etwas Besseres ein, Bettini. Was meinen Sie?«
    »Was ich meine? Dass Ihnen nichts, was in diesem Land vor sich geht, verborgen bleibt. Sagt man.«
    »Ja. Diese überzogene Behauptung habe ich auch schon gehört.«
    »Es heißt, es wird kein Blatt Papier bewegt, ohne dass Sie davon erfahren würden.«
    »Manchmal ist mir dieser Ruf eine Genugtuung, andere Male eine Last.«
    Bettini schenkte sich von dem Mineralwasser nach, nahm einen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
    »Meine Tochter Patricia ist sehr in Sorge, weil Ihre Leute den Philosophielehrer ihres Liebsten verhaftet haben.«
    »Aha.«
    »Ein gesetzter Herr, spezialisiert auf griechische Philosophie. Er ist für niemanden eine Gefahr. Ein alter Mann.«
    »So alt, dass er im Circus Maximus Bonbons verkauft hat?«
    Der Minister klopfte sich auf die Schenkel und lachte über seinen Witz. Dann schlug er einen grünen Ordner auf.
    »Er ist nicht mehr jung.«
    »Entschuldigen Sie meinen Scherz, Bettini. Viele machen sich grundlos Sorgen. Meistens stellen meine Männer ein paar Routinefragen, und anschließend spazieren die Kandidaten
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