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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Autoren: Carl Hanser Verlag
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können verblüffend groß werden und halten die ganze Saison hindurch – es sei denn, Sie haben Schnecken im Garten.
    Wenn Sie auf den weiter oben empfohlenen rücksichtslosen Einsatz chemischer Kampfmittel verzichten wollen, müssen Sie sich, vor allem im Spätsommer, mit Löchern und Rissen in den Blättern abfinden. Es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel das Hosta Virus X oder auch HVX. Das Ding ist genauso übel und gefährlich, wie sein Name klingt. Die Infektion überträgt sich von der Mutter auf das Kind und wenn infiziertes Material in die Wunde einer Pflanze eindringt. Also eine Art Pflanzen-Aids. Das Virus wurde 1996 zum ersten Mal isoliert, seitdem wird fieberhaft geforscht. Bislang ohne Erfolg. Kein schöner Anblick, die Bilder der Opfer: die Blätter farblos, schlapp, fleckig, mager, schrecklich. Sie können gegen diese Krankheit nichts tun. Nur hoffen, dass die Pflanzen, die Sie kaufen, nicht infiziert sind. Bei Verdacht im eigenen Garten: Pflanze vorsichtig entfernen, Geräte reinigen – und vielleicht an der Stelle erst mal ein Geranium setzen?
    Es gibt zwischen 23 und 45 Funkien-Arten – je nachdem, ob Sie einen lumper oder einen splitter fragen – und eine unübersehbare Zahl von Sorten und Kreuzungen, die zumeist nach Farbe und Form der Blätter benannt werden. In Wahrheit brauchen Sie in Ihrem Garten nicht mehr als zehn davon. Wenn Sie mit denen geschmackvoll umgehen, erhalten Sie mehr Abwechslung und Bewegung in Ihrem Beet, als Sie von einer einzelnen Staudenart erwarten dürfen. Am schönsten sind die Farbtöne, die ins Blaue und Graue gehen. Es gibt zwei kleinere Sorten, Hosta x tardiana ‘Hadspen Blue’ und ‘Halcyon’, die wunderbar neben roten Tulpen stehen, zumal Tulipa greigii ‘Toronto’ selber über graublaues Laub verfügt. Ich empfehle Ihnen auch die Lanzenfunkie Hosta lancifolia, die mit etwa 30 cm nicht sehr hoch wird, deren lilafarbene Blüten aber sehr angenehm duften. Geradezu phantastisch ist die Blaublattfunkie H. sieboldiana var. elegans , die größte der Sieboldiana-Funkien, deren Höhe bei mir inzwischen knapp unter einem Meter erreicht hat und deren Blätter mir vorkommen wie wahrlich riesige, feste, graublaue, ausdrucksvoll geäderte Boten einer lange zurückliegenden Vergangenheit. Die ganze Pflanze hat etwas Urtümliches. Und nebenbei blüht sie im Hochsommer auch sehr schön, zu einer Zeit, da sonst nur die Hortensien sich zeigen. Es gibt die H. sieboldiana auch in der Variante ‘Blue Angel’, deren Blätter noch größer sind und die auch im Ganzen höher und wüchsiger ist. Eine großartige Sorte ist auch H. nigrescens ‘Krossa Regal’, die schlanker und höher ist als die eher flächige H. sieboldiana, aber von ebenso beeindruckendem Blaugrün. Vielleicht ist das die eleganteste dieser als ganzer Art sehr eleganten Stauden. Es sind Pflanzen für das graublaue Morgenlicht, in dem sie besonders leuchten.
    Diese Hosta-Sorten sind überaus stabil, Regen und Sonne können ihnen nichts anhaben. Ich stehe vor so einer Staude in tiefer Bewunderung, ich fahre mit dem Finger über die festen, leicht gewölbten Rippen der sich anmutig öffnenden Blätter. Ich empfinde die Schönheit, die Anmut, die Vollendung, die Perfektion dieser Pflanze. Nur die Musik vermag ähnliche Momente zu erzeugen.
    Auch wenn der Gärtner meint, sich der Natur entgegenstellen zu können, Parzellen der Ordnung in ihr Chaos zu stellen, am Ende muss er sich ihr überantworten. Natürlich. Sie obsiegt ja immer. Es gibt freilich bemerkenswerte Versuche, die Natur zu täuschen. In Florida legen manche Menschen Kühlschläuche in ihre Beete, damit die Funkien in eine Art künstlich induzierten Winterschlaf fallen. Aber das ist natürlich Unsinn.
     
    Gärtnersein bedeutet loslassen können, wenn wir das mal im Therapeutendeutsch formulieren dürfen.
     
    Jetzt, im Spätsommer, müssen Sie langsam loslassen. Morgens ist es schon empfindlich kühl. Immerzu läuft man durch Spinnweben. Auf die Freude des Frühling, die Ruhe des Sommers folgt unweigerlich der Schmerz des Abschieds. So ist das. Verdammt.
    Trösten Sie sich mit dem Werk der schweizerisch-amerikanischen Psychologin Elisabeth Kübler-Ross. Sie hat sich mit dem Verlust und der gesunden menschlichen Reaktion darauf beschäftigt. Es gibt da also fünf Stadien, in denen üblicherweise der Mensch seine Verluste verarbeitet. Man leugnet ( denial ), man zürnt ( anger ), man bietet dem Schicksal einen Handel an ( bargaining ), man trauert (
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