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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Autoren: Carl Hanser Verlag
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depression ) und am Ende akzeptiert man es ( acceptance ) – oder, und das sind dann die ungesunden Fälle, man zerbricht.
    Das gilt immer, wenn einer geht, und sei es der Sommer. Denial – »Morgen wird es bestimmt noch mal warm!« Anger – »Ich hab mein Schlauchboot nur einmal benutzt!« Bargaining – »Ich höre mit dem Rauchen auf, wenn wir bis Februar frostfrei bleiben!« Depression – »Bestimmt frieren meine Fische ein!« Und schließlich acceptance – »Silvester fliege ich auf die Bahamas!«
    Wenn Sie den Winter überleben, können Sie sicher sein: Es wird ein neuer Sommer kommen.

Epilog oder
der Tod im Garten
    So ging das Jahr des Gärtners zu Ende. Die Zwiebeln waren vergraben, der Winterschutz für die Gunnera, das wunderbare Mammutblatt, war aufgestellt, und die Fische hatte ich das letzte Mal gefüttert.
     
    »Jetzt gibt es erst im Frühjahr wieder was«, hatte ich ihnen zugerufen und mich im selben Moment gefragt, ob mein sonderbar suizidaler Sterlet sich bis dahin nicht ohnehin wieder in Algen verwickelt haben würde. Da unten schwamm er, in seiner Schwärze auf dem Grund des Teichs kaum zu erkennen, überhaupt nur wegen seiner eigentümlichen Bewegung sichtbar. Der Sterlet hat ja etwas Haihaftes. »Das wäre es dann nämlich gewesen«, hatte ich also zu ihm gesagt, »weil ich dich nicht noch mal auspacke, so wie neulich«, hatte ich ihm zugerufen, mit beiden Händen vor dem Mund, damit er mich hört. Ich hatte das vor allem wegen der Kinder so gemacht, die daneben standen. Damit es nachher keine Vorwürfe gibt. Aber meine Tochter warf mir nur schon wieder so einen mitleidigen Blick zu.
     
    Ich zog mich in mein Haus zurück und wartete auf den Frühling. Nicht vom ersten Tag an. Ich überstehe den Oktober meist schadlos. Der November nagt dann schon an mir. Aber das kommende Weihnachtsfest tröstet mich. Danach beginnt das Grauen. Jahr für Jahr. Januar und Februar sind die Monate der Qual und des Ungemachs. Ach, mein süßer Frühling. Es schneit draußen. Die Kälte schmerzt. Die Äste klirren, wenn man sie mit der Hand streift. Mein Teich ist gefroren, ich kann auf ihm stehen und herumlaufen und er ist unter mir, klar und schwarz, und wenn ich mit einer Axt ein Loch hineinschlagen will, um meinen Fischen einen Gruß zuzurufen, spritzen die Splitter hoch in die Luft und ich muss den Stahl mit vielen Schlägen eine Elle tief ins Eis treiben, also eine kurpfälzische Elle, die etwa einen halben Meter misst, nicht eine Regensburger, die über 80 Zentimeter lang ist. Der Eisangler weiß, dass im tiefen Gewässer auch des Winters die Temperatur nicht unter vier Grad sinkt und die meisten Fische noch beweglich bleiben – was Voraussetzung fürs Eisangeln ist, denn der winterstarre oder gar eingefrorene Fisch ist nicht gut zu angeln. Ich habe mich also über dieses Loch gebeugt, das mich wie ein düsteres Auge aus dem weißen Antlitz des Sees angestarrt hat. Ich habe in die Schwärze hinabgeblickt und ich kann Ihnen sagen, dass die Schwärze in mich geblickt hat. Das kalte dunkle Wasser erfüllte mich mit Furcht und ich wich schaudernd zurück. Kein Zeichen von meinen Fischen übrigens.
    Ich bin einmal im März ein paar Meter tief auf den Grund eines Sees getaucht, um das Backbord-Want heraufzuholen, das beim Auftakeln des Segelboots hineingefallen war, und es war da so kalt und finster, wie ich mir den Tod vorstelle.
    Also gehe ich wieder nach drinnen, was dem Gärtner zuwider ist, dieses Drinnensein, denn der Gärtner will ja hinausgehen, tätig werden, weil das Drinnenbleiben unser größtes Problem ist, in allen Fragen, gesamtgesellschaftlich, ich gehe also nach drinnen und mir bleibt nur die Hoffnung auf das Kommende, auf den süßen Frühling! Ich zünde den Kamin an – sorgen Sie für einen Kamin in Ihrem Haus, unbedingt, er ermöglicht das Überleben im Winter – und träume mit Hölderlin vom Frühling: »… kommen wirst du, mit deinen allmächtigen Wonnen, in goldne Wolken wirst du uns hüllen und empor uns tragen über die Sterblichkeit, und wir werden staunen und fragen, ob wir noch seien, wir, die Dürftigen, die wir die Sterne fragten, ob dort uns ein Frühling blühe – frägst du mich, wann diß seyn wird? Dann, wann die Lieblingin der Zeit, die jüngste, schönste Tochter der Zeit, die neue Kirche, hervorgehn wird aus diesen beflekten veralteten Formen, wann das erwachte Gefühl des Göttlichen dem Menschen seine Gottheit, und seiner Brust die schöne Jugend wiederbringen
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