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Die Tänzer von Arun

Titel: Die Tänzer von Arun
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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begannen zu raufen, wobei das größte Kind, Morvens Tochter Aret, obenauf lag. Kerris ging weiter. Er war nie ein guter Ringer gewesen.
    »Holla, Schreiber!«
    Ein Mädchen stand am Fuß der Treppe zum Turm, ein Wäschebündel in beiden Armen. Sie trug ein rotes Kleid und eine braune Obertunika darüber. Ihre Wangen waren von winzigen Pockennarben übersät. Das Haar fiel ihr glatt über den Rücken. Kerris spürte, wie sein Nacken sich rötete. »Hallo, Kili«, sagte er.
    Zwei Jahre war es her, da hatte sie sich in der Halle an ihn herangemacht, hatte sie ihn mit ihren festen Brüsten gestreift, lächelnd hatte sie ihm eine Frage zugeflüstert: »Möchtest du nicht gern mit mir ...?« Niemand hatte ihn je zuvor das gefragt. So war er mit ihr in die Waschküche gegangen. Linkisch, aber voll Eifer. Sie lagen zwischen den langen triefenden Waschzubern auf den besudelten Bettlaken aus den Wohngemächern. Er war ihr tief dankbar. Nur eine einzige Person sonst hatte ihn jemals so berührt. Sie hatte sogar so getan, als bereiteten ihr seine Bemühungen Vergnügen. Aber ein paar Wochen später hörte er, wie sie lachend einem anderen Mädchen davon berichtete und Vergleiche anstellte zwischen seinem verlorenen Arm und seinen sexuellen Geschicklichkeiten.
    Sie schob ihre Hüfte vor und ihm zu. »Wie kommt es, daß ich dich nirgendwo mehr sehe?«
    »Ich habe zu arbeiten.«
    »Das ist aber jammerschade.« Sie schaukelte quer über den Hof, die Hüften wogten. Die Wachtposten auf der Inneren Mauer johlten anerkennend.
    Kerris dachte an Kel. Er hätte gern gewußt, wo der chearas sich befinden mochte und was aus dem rotgesichtigen Mann geworden war. Zweifellos hatten die chearis aufgesattelt und waren von jenem Ort fortgezogen. Er konnte sie noch vor sich sehen: Arillard, hochgewachsen, der Rotschopf Riniard, der Neuankömmling, und Jensie mit dem dreifarbigen Haar ... Er fluchte halblaut und stieß den Gedanken von sich. Es machte ihn nur unglücklich.
    Er spähte über den Hof. Kili war verschwunden. Die Posten hatten sich wieder ihren Wachpflichten zugewendet. Kerris malte sich eine Karawane aus, die über die Oststraße holperte, die blauen Wimpel flatternd, die Wagen beladen mit Seidenstoffen und Gewürzen, mit Edelhölzern und Metallwaren. Die ganze Burg steckte schon voller Unruhe und wartete auf die Händler. Und in den Spielen der Kinder tauchten die Kaufleutetrecks immer häufiger auf.
    Er stieg die Wendeltreppe zu dem Gemach an der Turmspitze hinauf.
    Der achteckige Raum war sehr alt. Er hatte die verschiedenartigsten Verwendungen gefunden: als Vorratskammer, zur Verteidigung, sogar als Kommandozentrale zu Lagebesprechungen, wenn im Norden Krieg herrschte. Es roch hier nach Fichtenkloben und Tinte. An den Wänden hingen Teppiche, ähnlich wie im Großen Saal. Das Gemach enthielt ein Durcheinander von Möbelstücken: zwei Schlafpritschen, einen großen Arbeitstisch, ein paar Hocker, Josens Sessel und sechs Zedernholztruhen. In zwei der Kästen befanden sich Kleider. Die vier anderen steckten randvoll von alten Aufzeichnungen.
    Ein hoher Tontopf mit choba-Öl stand in einer Ecke. Sonst erhellte man die Burg (selbst die Gemächer des Herrn) mit allen möglichen Arten von Kerzenlicht, und die Kaufleute machten sich nicht mehr die Mühe, die schweren Ölkrüge aus dem Süden heraufzuschleppen. Doch Josen hatte auf eigene Faust und auf eigene Kosten diesen einen Krug bestellt und bezahlt. An düsteren Wintertagen goß er Öl in Schalen und machte aus Wollgarn Dochte dafür. Er behauptete, das Licht von der Ölflamme sei reiner und weniger rauchig als das Licht der Kerzen aus Talg. Kerris neckte ihn oftmals abends freundlich damit: »Wenn die Funzeln brennen, dann kannst du, wie Paula, dir einbilden, du bist gar nicht wirklich hier oben im Norden.«
    »Aber im Gegensatz zu Paula«, pflegte dann der alte Mann zu antworten, »gefällt es mir hier.«
    Kerris stieß die Tür mit der Schulter auf. Josen stand am Fenster und sog prüfend die Luft ein. Er hatte eines der Fenster geöffnet und stand da und spähte durch den Mauerschlitz hinaus. Kerris gesellte sich zu ihm. Dieser Wachtturm war vor dreihundert Jahren von Torrel, dem Vierten Lord von Tornor Keep, erbaut worden, »auf daß er die Räuber aus Anhard erspähen könne, noch ehe deren König ihnen den Angriff befohlen hat«. Der Turm diente längst keinem militärischen Zwecke mehr, denn seit hundert Jahren herrschte Frieden zwischen Arun und Anhard. Doch die Fenster
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