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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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als die Seraphim. Ich habe mich nie geschämt, mir die Hände schmutzig zu machen wie einige andere, deren Namen ich nicht nennen möchte. Ich habe sogar Belphagor festgesetzt, und was ist der Dank dafür?«
    Die beiden Erzengel berieten sich kurz. »Belphagor festgesetzt? Wie hast du denn das geschafft?«
    Hadriel setzte sich auf seinen Ladentisch, schlenkerte mit den nackten Füßen und musterte seine Fingernägel. »Das möchtet ihr wohl gern wissen«, sagte er.
    »Hadriel, es mangelt dir an Respekt.«
    »Oh, ich habe jede Menge Respekt. Ich habe Respekt vor meiner Aufgabe, vor meinem Engel-Sein, und Respekt vor Vater habe ich auch. Wer sagt Euch denn, daß es nicht überhaupt Seine Idee war? Schließlich ist Er allwissend, ist vor und nach aller Zeit, Alpha und Omega und so weiter und so fort.«
    Michael kratzte sich ratlos den Kopf.
    »Nichtsdestoweniger kommst du jetzt mit«, sagte Uriel entschieden. »Und deine Cherubim auch. Aus denen hole ich die ganze Geschichte schon heraus. Hadriel, wir hatten mehr von dir erwartet.«
    Zusammen stiegen die drei durch die Decke auf und befanden sich schon bald über der Stadtmauer, während die verstummten Cherubim sie wie ein Spatzenschwarm umflatterten. Unter ihnen zogen die Wolken über der hügeligen Landschaft Frankreichs bis zum fernen Horizont dahin. Hier und da ging ein Frühlingsschauer auf Wald und Flur nieder. Wo sich die Wolken teilten, waren blaue Flecken Himmel zu sehen. Einer der Cherubim zupfte Hadriel am Gewand. Der blickte nach unten. Auf einer schmalen Landstraße, in einiger Entfernung von der Stadt Paris, mühten sich zwei Pferde, jedes mit zwei Reitern, durch den Morast, gefolgt von einem Lastpferd mit Gepäck, auf dem zuoberst ein merkwürdiger Holzkasten und ein Vogelkäfig thronten. Hinter dem vordersten Mann saß eine Frau, die sich ganz in einen dicken Umhang mit Kapuze gehüllt hatte. Doch beides reichte nicht, um ihr graues Novizinnenhabit zu verbergen.
    »Sieh einer an«, sagte Hadriel. »Da ist ja Mistress Susanna.«
    Uriel blickte abfällig. »Dann bist du inzwischen mit entlaufenen Nonnen befreundet«, sagte er.
    »Ach, nicht richtig. Susanna ist ein gutes Mädchen. Sie führt die Welt wieder einmal hinters Licht.«
    »Hadriel, und du hast dabei die Finger im Spiel gehabt, nicht wahr?« sagte Michael in zunehmend argwöhnischem Ton.
    »Das gehört eindeutig nicht zu seiner Aufgabe«, sagte Uriel.
    »O nein. Aber ja doch«, sagte Hadriel. »Bitte, wartet einen Augenblick, ja? Ich habe Mistress Susanna einen Regenbogen versprochen.«
    »Eine Minute, eine einzige«, sagte Michael.
    Hadriel blies und wirbelte und ordnete die Wolken so, daß die Sonne durch den fallenden Regen schien. Ein großer Regenbogen, hoch wie ein Berg, spannte sich über den Himmel, doch die Hälfte verschwand oben in den Wolken. In ihm und ihm gegenüber wölbten sich zwei kleinere Regenbogen, und die waren voll ausgebildet und standen mit beiden Füßen auf der hügeligen Landschaft. Vom Aussichtspunkt der Engel wirkte es, als mühten sich die Reiter durch ein Meer von Farbe, wo der kleinste Regenbogen die Erde berührte. Rings um sie tüpfelten Sonnenflecken die winterlich toten Wiesen und ließen die ersten grün sprießenden Halme aufleuchten.
    »Hadriel, du machst einen guten Regenbogen«, sagte Michael. »Das muß man dir lassen.«
    »Aber wie gewöhnlich hast du übertrieben«, schnaubte Uriel, während sie in der Ewigkeit verschwanden.

Anhang

Historische Gestalten
    T homas Wolsey wurde im Herbst 1515 tatsächlich Kardinal. Er stürzte jedoch über Anne Boleyn, auf die König Heinrich VIII. nach ihrer Rückkehr aus Frankreich ein Auge geworfen hatte. Sie verzieh es dem Kardinal nie, daß dieser auf Befehl des Königs ihre Verlobung mit Henry Percy vereitelte, und als es Wolsey nicht gelang, die Heirat des Königs annullieren zu lassen, damit dieser Anne heiraten konnte, war sein Sturz besiegelt. Was er seiner Eskorte klagte, die ihn in den Tower brachte, wurde von Shakespeare überarbeitet und ist fast berühmter geworden als Wolseys Karriere:
»Hätt ich nur Gott gedient mit halb dem Eifer,
    Den ich dem König weiht', er gäbe nicht
    Im Alter nackt mich meinen Feinden preis!«
    (William Shakespeare, Heinrich VIII.)

    Der Connétable de Bourbon verriet Franz I. am Ende doch noch, als letzterer versuchte, nach dem Tod von Bourbons Ehefrau Suzanne deren Erbe an sich zu bringen. Bourbon schloß ein Bündnis mit Heinrich VIII. und Karl V. und fand später bei der
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