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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs
Autoren: Alan Furst
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blöd zum Leben. Haben Sie schon Ersatz gefunden?«
    »Bis jetzt nicht. Somit sind wir im Augenblick zweiundvierzig.«
    »Sie können auch mit zweiundvierzig fahren.«
    »Sicher.« Aber wir brauchen mehr, und das wissen Sie ganz genau.
    »Liegt am Krieg«, sagte Terhoven.
    »Ziemlich übel in letzter Zeit, alle sind unterbesetzt, besonders im Maschinenraum. Auf vielen Schiffen haben sie, wenn sie den Hafen erreichen, die Mannschaft noch nach Mitternacht an Deck, und sie warten darauf, dass die Säufer endlich aus den Bars stolpern. ›Komm an Bord, Kumpel, bei uns gibt's zweimal täglich Schinken.‹«
    »Oder jemand kriegt eins über die Rübe und findet sich in See wieder.«
    »Ja, auch das kommt vor.«
    Terhoven warf einen prüfenden Blick über das Tablett, um zu sehen, ob es noch irgendetwas Lohnendes zu essen gab. »Sagen Sie, Eric, wieso eigentlich ohne Uniform?«
    »Es hieß nur, ›zum Essen‹, deshalb …«
    »Ist sie hinüber?«
    »Nein, sie kann sich noch sehen lassen.«
    »Sie können sich hier eine neue machen lassen, wissen Sie.«
    Auf der anderen Tischseite sagte Wilhelm zu Hoek: »Also, ich bin zum Blumenmarkt gegangen, aber er war nicht da.«
    De Haan war mit dem Essen fertig, hatte alles probiert, was er mochte, und fand es recht ordentlich. Er war in der Welt herumgekommen und hatte tüchtig zugelangt, doch was er nie ganz vergessen hatte, war sein letzter Teller Bratkartoffeln mit Mayonnaise in einem Hafencafé in Rotterdam. Er zog ein Päckchen Zigarillos heraus – eine holländische Marke namens North State, in Form von Zigaretten, nur länger und bitterschokoladenbraun – und bot sie Terhoven an, der dankte, zündete sich dann selbst eine an, atmete den herben Rauch ein und hustete mit Gusto. »Wim«, sagte er, »worum geht es bei diesem Essen?«
    Terhoven zögerte einen Moment, wollte ihm schon alles erzählen, überlegte es sich dann aber anders. »Die Hyperion-Lijn zieht in den Krieg, Eric, und hier und jetzt machen wir den ersten Schritt. Was die Einzelheiten betrifft, lassen Sie sich überraschen, seien Sie kein Spielverderber.«
    Die Kellner kamen wieder, der erste hielt die Tür auf, der zweite trug ein Tablett herein, auf dem sich kleines, von Honig glänzendes Feingebäck türmte, während der dritte zwei Flaschen Champagner in Eiskübeln brachte. Er hob die Kübel stolz in die Höhe und grinste den Gästen entgegen. »Zur Feier des Tages!«, sagte er. »Beide Flaschen köpfen?«
    »Bitte«, sagte Hoek.
    Als die Kellner den Raum verließen, öffnete Hoek eine Aktentasche zu seinen Füßen und entfaltete eine holländische Fahne, rot-weiß-blau in horizontalen Streifen, packte sie an den Ecken und hielt sie sich über den Kopf. Kommandant Leiden erhob sich, zog ein Blatt gutes Papier mit mehreren getippten Absätzen heraus und stand stramm, während er sich räusperte. »Kapitän De Haan«, sagte er, »würden Sie wohl bitte mir gegenüber Aufstellung nehmen?« Irgendwo aus der Nachbarschaft drang leise plärrende, arabische Musik herein.
    Leiden fing an, in feierlichem Ton vorzulesen. Das war Admiralssprache, streng und umschweifig und einschüchternd altertümlich – gespickt mit wohingegen und mithin und unabdingbar, ein Wall aus Worten. Gleichwohl für De Haan, der nur ein einziges Mal mit den Augen zwinkerte, klar und deutlich zu verstehen: Leiden nahm ihm den Fahneneid auf die Königlich Holländische Marine ab. De Haan hob die rechte Hand, sprach weisungsgemäß die Sätze nach und verpfändete sein Leben. Als das erledigt war, ließ der Sinn und Zweck dieser Übung nicht lange auf sich warten. »Somit ist es uns eine Freude, den anwesenden Eric, Mathias, De Haan im Namen ihrer Königlichen Majestät Königin Wilhelmina und im Auftrag des kommissarischen Befehlshabers und Generalstabs der Admiralität und der Königlichen Seestreitkräfte der Niederlande zum Offizier zu ernennen und in den Rang eines Korvettenkapitäns zu erheben, in der vollkommenen Gewissheit, dass er nach besten Kräften getreulich und gewissenhaft seine Pflicht …«
    So ging es eine Weile weiter, bis Leiden ihm die Hand schüttelte und sagte: »Sie dürfen jetzt salutieren«, was De Haan tat, woraufhin Leiden unter dem Beifall von Terhoven und Wilhelm den Salut erwiderte.
    Terhoven war das diebische Vergnügen eines Spaßvogels anzusehen, und De Haan dachte nur, wieso ohne Uniform, ha, ha, du hinterhältiger Hund, sah aber auch Augen, die heller strahlten, als sie sollten.
    Sie aßen das Gebäck
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