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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs
Autoren: Alan Furst
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und tranken den Champagner und sprachen vom Krieg. Um Mitternacht schließlich traf der Mann ein, der als Hoeks Bediensteter und Chauffeur arbeitete, ein Emigrant mit rosigen Wangen namens Herbert, und Wilhelm und Hoek verabschiedeten sich von der Runde. Sie hörten, wie der Rollstuhl über das Kopfsteinpflaster der Gasse zu einem Wagen rumpelte, der auf einem nahe gelegenen Platz geparkt war.
    »Schillernde Persönlichkeit«, bemerkte Leiden. »Unser Mijnheer Hoek.«
    »Hat ein großes Herz«, sagte Terhoven.
    »Ganz bestimmt.« Leiden schwieg, um seinen Champagner auszutrinken. »Hat nie geheiratet, offiziell, aber es wird gemunkelt, dass zwei seiner Bediensteten in Wahrheit seine Frauen und dass die Kinder im Haus seine sind. Das ist hier nichts Ungewöhnliches. Wenn er Mohammedaner wäre, könnte er sich sogar vier Frauen nehmen.«
    »Vier Frauen.« Er sagte es in einem Ton, der deutlich machte, dass er mehr die häuslichen Konsequenzen als die erotischen Implikationen im Auge hatte.
    »Hoek begnügt sich mit zwei, und es ist schließlich nur Tratsch«, sagte Leiden. »Auf jeden Fall führt er ein großes Haus, was er sich ohne weiteres leisten kann.«
    »Nun ja«, sagte De Haan, »wieso auch nicht.«
    »Ich gebe Ihnen Recht. Egal, was für Marotten sie haben mögen, als Mitglied einer Exilregierung begreift man schnell, wie wichtig Patrioten sind, die ihr Vermögen im Ausland haben.«
    »Und es ausgeben wollen«, fügte Terhoven hinzu.
    »Ja, aber nicht nur das. Was Sie heute Abend hier gesehen haben, war die nordafrikanische Station des Nachrichtendienstes der Königlich Niederländischen Marine.«
    Terhoven und De Haan schwiegen, bis Terhoven sagte, »Darf man fragen, wo Sie sie gefunden haben?«
    Darf man nicht – doch Leiden sprach es nicht aus. Terhoven war selbst ein Patriot dieser Kategorie, und das berechtigte ihn, wenn auch nur ganz knapp, zu einer Antwort. »Sie haben sich freiwillig gemeldet – im Konsulat in Casablanca. Natürlich gab es noch andere, mehr als man denken würde, aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir diesen beiden trauen können. Nicht wegen besonderer Leistungen, aber doch immerhin, weil wir glauben, dass sie den Mund halten können. Diese Art von Beziehungen finden die Menschen aufregend, und sie müssen es unbedingt jemandem erzählen, wissen Sie. ›Nur einem Freund.‹« Die letzten Worte sprach er in indiskretem Ton, bevor er sich zu De Haan umdrehte. »Selbstverständlich können Sie sich auf sie verlassen, doch es gehört zu den allgemeinen Grundsätzen dieser Arbeit, dass man auf seine, ehm, besten Instinkte hört.«
    De Haan begriff langsam, was dieses Abendessen zu bedeuten hatte. Eine Zeit lang hatte er geglaubt, man würde ihn vielleicht bitten, auf einem der holländischen Kriegsschiffe zu dienen, die der Besatzung 1940 entkommen waren und weiterhin an der Seite der britischen Marine kämpften. Jetzt wusste er es besser. Ja, er war ein frisch gebackener Luitenant ter Zee 1ste Klasse, aber – und Terhovens Anwesenheit bekräftigte diesen Verdacht – er zog mit der Noordendam in den Krieg.
    »Und Wilhelm?«, fragte Terhoven.
    »Unsere Funkerin. Und, ebenso wichtig, sie kennt Leute – Emigranten und Marokkaner, einfache Menschen und andere. Sehen Sie, eine Künstlerin kann egal wo auftauchen und egal mit wem reden, und niemand schöpft Verdacht. Sehr nützlich für uns. Sie war unter den Ersten, die sich bewarben, sollte ich wohl hinzufügen, und ihr Vater war ein ranghoher Offizier in der Armee. Vielleicht ist also etwas dran, dass einem diese Dinge im Blut liegen, wie man so sagt.«
    »Bekomme ich meine Anweisungen von den beiden?«, erkundigte sich De Haan und klang nicht ganz so neutral, wie er dachte.
    »Nein. Sie werden Ihnen helfen – Sie werden ihre Hilfe brauchen – und möglicherweise werden sie sozusagen als Relaisstation für unsere Anweisungen an Sie dienen.«
    »Die da wären?«
    »Wir wollen, und damit ist Ihre Frage ganz allgemein beantwortet, dass Sie weiter Krieg für uns führen. Wir, das heißt, die Abteilung IIIA des Generalstabs der Admiralität, sind derzeit in zwei kleinen Büroräumen in der D'Arblay Street in Soho zusammengepfercht. Einige von uns müssen sich den Schreibtisch miteinander teilen, aber offen gesagt hatten wir in Den Haag auch nie viel Platz, und so haben wir über die Jahre gelernt, uns in eine gewisse Bedeutungslosigkeit zu fügen. Als Holland im Großen Krieg ein neutraler Staat war, wusste die Regierung mit
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