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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs
Autoren: Alan Furst
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anderen, teils nahe gelegenen, teils entfernteren Inseln, doch diese hier war kaum eine Meile entfernt, und sie trieben geradewegs darauf zu. Das hier war ihre Insel.
    De Haan schob den Telegrafen auf Maschinen – Stopp, zur Bestätigung kam die Klingel, und wenig später hörte das langsame, beschwerliche Stampfen auf. Es war still. Er nahm das Sprachrohr in die Hand und sagte: »Komm auf die Brücke rauf, Stas. Wir stranden gleich auf den Felsen, verlass also den Maschinenraum.«
    Auf der Brücke hielt Scheldt immer noch Wache, indem er am reglosen Ruder stand. »Gehen Sie und packen Sie Ihre Sachen zusammen«, forderte De Haan ihn auf. Blieben noch Ratter und Maria Bromen, die dicht neben ihm standen. De Haan nahm das Logbuch der Noordendam und machte einen letzten Eintrag: Datum, Uhrzeit und Kurs. »Irgendeine Ahnung, wie die heißt?«, fragte er Ratter.
    »Vielleicht Orslandet«, sagte Ratter nach einem Blick auf die Karte. »Aber wer weiß.«
    »Dann nennen wir sie eben so«, sagte De Haan. Er trug den Namen ein, fügte die Worte Auf Grund gelaufen hinzu, unterschrieb den Eintrag, schlug das Logbuch zu und steckte es in seine Reisetasche. Nachdem der Motor abgeschaltet war, kam die Noordendam kaum voran. Draußen an Deck hatten sich die Passagiere und die Besatzung in der ersten Morgendämmerung versammelt, um mitsamt ihrem Gepäck zu warten. Die Noordendam, inzwischen schon ganz nah, lief zunächst auf eine Sandbank, kam dann wieder frei und fuhr zur Insel weiter.
    Beim Aufprall fühlte er Maria Bromens Hand an seinem Arm. Der Bug hob sich, der Rumpf schürfte über die Felsen, und mit einem einzigen, langen ratschenden Geräusch von Eisen auf Stein kippte die Noordendam zur Seite und stand schließlich still. Es war nichts zu hören als das Schlagen der Wellen am Strand.
    Sie suchten nach ihr, einige Zeit später, als der Krieg in diesem Teil der Welt zur Ruhe gekommen war. Immerhin war sie einiges wert, in Bergungsrechten steckte bares Geld, und man brauchte nur einen Anspruch geltend zu machen. Da hatte schon lange der Herbst Einzug gehalten, und der Eisnebel hing in den Birkenwäldern. Zwei Geschäftsleute aus der Schweiz erschienen, ein Mann von ungewisser Nationalität, der sich als russischer Emigrant vorstellte, einige andere, von denen niemand wusste, wer sie waren. Sie fragten die Bewohner der Felsenküste, Fischer zumeist, ob sie sie gesehen hätten, und einige sagten Ja, die anderen schüttelten nur den Kopf oder zuckten die Achseln. Letztendlich fanden sie nichts, und sie ward nie mehr gesehen.

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