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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs
Autoren: Alan Furst
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vielleicht eine von diesen probieren?« Schalakow warf einen Blick auf die Kiste, lehnte höflich dankend ab, zündete sich eine von seinen eigenen an und warf das Streichholz auf den Boden.
    »Ich bin ebenfalls Korvettenkapitän«, sagte De Haan.
    Schalakows Überraschung hielt sich im Rahmen.
    »In der Königlich Niederländischen Marine.«
    »Sie haben die Uniform abgelegt, Sir.« Schalakow sah ihn amüsiert an. »Und Ihr Schiff ebenfalls.« Er stand auf, ging ans Fenster und blickte über den Hafen. »Wir hatten bereits zwei Luftangriffe«, sagte er. »Heute früh. Sie haben den Luftstützpunkt und die Öltanks im Hafen getroffen.«
    »Wir haben den Rauch gesehen.«
    »Wie steht's mit Ihrem Treibstoff?«
    »Nicht schlecht.«
    »Wir können Ihnen nämlich keinen geben.«
    »Laufen wir denn aus?«
    »Sowjetische Helden wanken natürlich nicht und kämpfen gegen die Faschistenhunde. Bis Donnerstag, so wie's im Moment aussieht – sie brauchen vermutlich vier Tage, um hier einzumarschieren. Wir können den Hafen nicht halten, wir haben eine Division gegen Leebs Heeresgruppe Nord, es kann also sein, dass Sie und Ihre Besatzung ein bisschen kämpfen müssen, wir werden sehen. Aber vielleicht wollen Sie mir erst einmal erzählen, was Sie dazu gebracht hat, als Spanier verkleidet quer durch die Ostsee zu fahren.«
    »Ein Einsatz für die britische Marine.«
    »Unsere tapferen Verbündeten, sieh an! Wir haben sie schon immer bewundert – jedenfalls seit Mitternacht. Macht es Ihnen etwas aus, mir zu sagen, was und wo?«
    »Sie werden verstehen, Herr Kapitänleutnant, dass ich das nicht kann.«
    Schalakow nickte – ja, ich verstehe. »Sehr ehrenhaft«, sagte er. »Und wir lassen Ihnen diesen Luxus, vorerst zumindest. Wären Sie allerdings gestern hier aufgekreuzt … Aber es ist ja nicht gestern, es ist heute, und heute ist alles anders, heute sind Sie ein geschätzter Verbündeter, und wir können ein zusätzliches Frachtschiff stets gut gebrauchen.«
    »Und wohin würde die Reise gehen?«
    »Riga vielleicht, nur vielleicht – kommt drauf an, wie schnell der Vormarsch der Wehrmacht ist. Steht eher zu vermuten, dass die Einheiten der Ostseeflotte, die aus Liepaja stammen, sich bis zum Marinestützpunkt in Tallinn, Estland, zurückziehen. Wir müssen Ausrüstung, Personal, einige Zivilisten mitnehmen – wir werden retten, was wir können, und das wird Ihre Aufgabe sein.«
    »Das können wir übernehmen«, sagte De Haan. »Was ist mit meiner Besatzung?«
    »Die kann so bleiben, wie sie ist – mag sein, dass wir Ihre Passagiere befragen, aber die Besatzung – behalten Sie, was Sie haben. Aber sie sollte besser an Bord bleiben. Seit heute Morgen sind die lettischen Kolonnen wieder im Einsatz – buddeln ihre Gewehre in den Hühnerställen aus und warten sehnsüchtig auf ihre deutschen Kumpel.« Schalakow schwieg einen Moment und sagte: »Was war es, De Haan? Agenten? Nach Dänemark? Nicht ins neutrale Schweden, will ich hoffen. Absetzen von Agenten, würde ich vermuten. Bestimmt nicht welche aufnehmen.«
    »Wieso nicht?«
    »Ich bewundere die britische Marine, und ich bewundere Wagemut – eine löbliche Eigenschaft bei bestimmten Sondereinsätzen –, und ich weiß, dass die Deutschen britischen Handelsschiffen die Hölle heiß machen, aber es ist völlig undenkbar, dass Ihr Schiff heil aus der Ostsee gekommen wäre.«
    Nach Sonnenuntergang kehrten die Bomber zurück. Aus Lautsprechern, die an den Laternenmasten befestigt waren, gab eine knisternde und knackende Stimme bekannt: »Achtung! Achtung! Achtung, Bewohner von Liepaja, wir haben einen Luftangriff. An die Waffen und Kampf den Invasoren!« Zuerst auf Russisch – von Kovacz übersetzt – und dann auf Lettisch. De Haan versetzte die Feuerlöschtrupps in Alarmbereitschaft, ließ die Schläuche ausrollen und Van Dyck die Pumpen überprüfen. Dann heulten die Sirenen für lange Zeit, wie es schien, eine Viertelstunde vielleicht, und dann aus Süden die ersten Bomben – ein dumpfes, tiefes Rums, das Richtung Nord auf die Stadt zu marschierte. Während die Luftabwehr zum Einsatz kam und von den Schiffen im Militärhafen sowie den Dächern von Liepaja aus loshämmerte, blickte De Haan auf den Pier am Fuß der Gangway hinüber. Seit sie angedockt hatten, war er von zwei Soldaten mit Gewehren bewacht worden, doch die waren nicht mehr da.
    Während S. Kolb den Kai entlanghastete, schlug eine Brandbombe in die Seite der Traktorenfabrik ein, und ein feuriger
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