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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs
Autoren: Alan Furst
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Geschwindigkeit erhöht haben.«
    »Sagen Sie ihnen, ›Nein‹. Warten Sie, streichen Sie das, sagen Sie ihnen, ›Ich werde das überprüfen.‹«
    23.35 Uhr. »Sie fragen, ›Wo sind Sie‹?«
    »Keine Antwort, Mr. Ali. Der Signalgast ist zur Brücke raufgegangen.«
    23.45 Uhr. De Haan blickte zur M 56 zurück – die Lichter nunmehr winzige, blasse Punkte. Sie war jetzt weit zurückgefallen, und der Rauch beeinträchtigte ihre Sicht. Ali kam zurück. »Sie wollen Leutnant Schumpel sprechen. Über Funk. Sofort.«
    »Sagen Sie ihnen, Schumpel sei in den Maschinenraum runtergegangen. Es gebe da ein Problem.«
    Auf der M 56 ging ein Scheinwerfer an und suchte die rauchige Dunkelheit ab, bis er die Noordendam schließlich am Heck erfasste. In dem mächtigen Lichtkegel leuchtete der Rauch auf – eine träge Wolke, schwer und rußig schwarz, die mit dem Wind nach Osten trieb, während der Geruch nach verbranntem Öl sich über das Brückenhaus legte. Kovacz rief aus dem Maschinenraum an. »Mehr ist nicht drin, Eric.«
    »Sie fallen zurück«, sagte De Haan.
    Ein ganzes Stück hinter ihnen konnte De Haan das Megafon hören. »Leutnant Schumpel, Leutnant Schumpel. Kommen Sie sofort ans Heck. Hier spricht Kommandant Horst.«
    Einen Moment lang dachte De Haan daran, die Rolle von Leutnant Schumpel zu übernehmen, rief dann aber in den Funkraum hinunter: »Sagen Sie ihnen, es gebe ein Feuer, Mr. Ali.«
    »Gibt es eins, Herr Kaptän?«
    »Nein, wir machen nur Rauch.«
    »Verstanden, ich schicke Ihre Meldung.«
    Eine Minute später war er wieder da. »Sie senden, ›Bereithalten‹. Sie senden es immer wieder.«
    »Bestätigen. Sagen Sie, Sie müssten zur Brücke rauf, um es dem Kapitän zu melden.«
    Dreißig Sekunden später sagte Mr. Ali: »Sie senden, ›Machen Sie schon.‹«
    De Haan sah zurück. Die Noordendam stampfte jetzt wirklich durchs Wasser, und die Lichter des Minenräumers verschwanden für einen Moment und waren wieder da. De Haan schaute auf die Uhr. Fast Mitternacht. Als er aufsah, waren die Lichter verschwunden. Nur der Suchscheinwerfer war hinter dem Rauch noch grau und verschwommen auszumachen. De Haan rief in den Funkraum hinunter. »Senden Sie, ›Leutnant Schumpel hat verstanden, Schiff hält sich bereit, er meldet sich in zehn Minuten über Funk‹. Haben Sie das?«
    »Und ob!« Alis Stimme quiekte vor Aufregung.
    Es dauerte fünfzehn Minuten. Am Ende ein roter Blitz von der M 56 und eine Granate, die über das Schiff heulte und vor ihrem Bug eine weiße Fontäne aufspritzen ließ.
    »Scheldt«, sagte De Haan. »Hart auf Ostnordost gehen, Kurs null fünf null.«
    De Haan ging zur Rückseite des Brückenhauses und legte den Schalter um, mit dem die Positionslampen der Noordendam ausgemacht wurden, und während Scheldt das Ruder herumwarf und der Bug sich zu drehen begann, hörte er ein tiefes Dröhnen am Himmel. Es wurde immer lauter und ging hoch oben über sie hinweg Richtung Nordost. Das waren schwere Motoren, Bomber, Dutzende davon, nein, mehr, weit mehr, eine Welle folgte der nächsten. Was zum Teufel ist das? Es ergab keinen Sinn. Die fliegen nach Nordosten, Richtung Russland? Wieso?
    De Haan ging zum Sprachrohr zurück. »Mr. Ali, sagen Sie ihnen, wir hätten ein Feuer an Bord und würden das Schiff verlassen.«
    »Ja, Herr Kaptän!«
    »Senden Sie es ein zweites Mal. Der Signalgast soll mittendrin abbrechen.«
    »Wir senden, Herr Kaptän. Sie sprechen jetzt über Funk, in Klartext. Sie brüllen, Herr Kaptän, und zwar ziemlich rüde.«
    »Senden Sie das hier, Ali: ›Sinken schnell. Lebewohl an meine Familie. Heil Hitler.‹«
    De Haan sah auf die Uhr, die Zeit kroch quälend langsam dahin. Ein zweiter Blitz von achtern, die Granate zerriss die Luft und kam Steuerbord neben ihnen herunter. »Scheldt. Signalisieren Sie Schiff verlassen, nehmen Sie die Glocken und die Sirene. Ich übernehme das Ruder.« Sie waren jetzt auf null sechs acht, fast auf dem neuen Kurs. Als De Haan in die Holzspeichen des Rades griff, fühlte er förmlich den Antrieb der Kolben unter den Händen.
    Ein dritter Blitz. Ein Zittern ging durch die Noordendam, als eine Granate in ihr Heck einschlug, dann schwankte sie nach vorn.
    Kaum hatte Scheldt das Ruder übernommen, rannte De Haan zur Nock hinaus und von dort zum Heck, um sich den Schaden anzusehen. Lass es nur über der Wasserlinie sein! Und dann fielen irgendwo auf dem Schiff Schüsse, mehrmals hintereinander ein dumpfer Knall von irgendwo unten. De Haan
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