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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs
Autoren: Alan Furst
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ihrem Geld Besseres anzufangen, als geheimdienstliche Erkenntnisse zu sammeln. Wir hatten die Marine-Attachés in den Botschaften, führten ab und zu einen kleinen Einsatz durch, beobachteten ein paar Häfen. Dann brach alles zusammen, und wir verloren den Krieg in vier Tagen – die Armee hatte seit 1830 nicht mehr gekämpft, niemand war auf Angriffe durch Fallschirmspringer und Segelflugzeuge gefasst, die Königin bestieg das nächste Schiff, und wir kapitulierten. Wir wurden gedemütigt, und falls wir selbst es nicht so sahen, hatten die Briten Mittel und Wege, uns klar zu machen, dass es so war. In ihren Augen standen wir auf der Seite der Franzosen, der Belgier und der Dänen – und nicht auf der Seite der ›tapferen, wenn auch zahlenmäßig unterlegenen Griechen‹.
    Und so schmoren wir jetzt in London im Saft des Exils – de Gaulle verlangt dies, die Belgier wollen das, die holländische Marine dreht die Heizung runter und zieht sich warm an, weil das Gas teuer ist. Gott sei Dank, kann ich da nur sagen, für unseren Schlepper-Rettungsdienst und für die Schiffe unserer Handelsflotte, die in den Atlantik-Konvois mitfahren und die wir allzu oft verlieren. Doch Großbritannien braucht mehr – es braucht Amerika, das braucht es in Wirklichkeit, aber die sind nicht bereit zu kämpfen – und jetzt ist es zu dem Schluss gekommen, und wir haben bei der Einsicht vielleicht ein bisschen nachgeholfen, dass es uns braucht. D'Arblay Street, deshalb brauchen wir unseren Freund Terhoven hier, und wir brauchen Sie. Geheimaufträge, Korvettenkapitän De Haan, die Sie meistern werden. Und so werden Sie Holland ein bisschen Glanz und Gloria verleihen, die es weiß Gott nötig hat – und der Königlichen Marine mit ihrer geliebten Abteilung IIIA. Lautet die Antwort demnach ›ja‹ oder ›nein‹? ›Vielleicht‹ ist im Moment leider nicht zu haben.«
    De Haan nahm sich mit seiner Antwort einen Moment Zeit. »Soll die Noordendam bewaffnet werden?«
    Das war gar nicht mal so weit hergeholt. Deutschland hatte Handelsschiffe aufgerüstet, und sie waren mehr als effizient gewesen. Sie fuhren, die Waffen raffiniert versteckt, unter falscher Flagge und näherten sich ahnungslosen Schiffen, bevor sie Farbe bekannten, die Besatzungen gefangen nahmen und die Schiffe versenkten oder nach Deutschland schickten. Ein solcher Angreifer hatte kürzlich eine gesamte norwegische Walfangflotte gekapert, ein nachhaltiger Verlust, da Walöl zu Glyzerin umgewandelt wurde, das bei der Herstellung von Sprengstoff eine Rolle spielte.
    Doch Leiden lächelte und schüttelte den Kopf. »Das sähen wir zwar gerne, aber nein.«
    »Nun ja, natürlich lautet die Antwort ›ja‹, egal was«, sagte De Haan. »Was ist mit meiner Besatzung?«
    »Was soll damit sein? Sie dient auf der Noordendam, unter Ihrem Kommando.«
    De Haan nickte, als ob das eine Antwort gewesen wäre. Tatsächlich waren Geschäfte, wie sie Leiden im Auge hatte, zu allererst einmal geheim, doch Matrosen gingen an Land, betranken sich und erzählten Huren oder Gott weiß wem in einer Bar ihre Lebensgeschichte.
    Leiden lehnte sich vor und sprach das Folgende leise – und jetzt die Wahrheit. »Hören Sie«, sagte er. »Tatsache ist, dass alle holländischen Handelsschiffe, die die Invasion überlebt haben, dem so genannten Niederländischen Schifffahrtsministerium unterstellt werden sollen, und die meisten sollen wiederum von britischen Handelsfirmen eingesetzt werden, so dass die Noordendam im Konvoi auf der Halifax-Route oder unten um das Kap der Guten Hoffnung und den Suezkanal rauf zum britischen Flottenstützpunkt in Alexandria fahren würde. Doch dazu wird es nicht kommen, da die Königlich Holländische Marine sie für einen Gulden im Jahr und unter dem Kommando eines holländischen Marineoffiziers von der Hyperion-Lijn gechartert hat.«
    De Haan entging nicht, dass Leiden und Terhoven ihn ansahen und auf seine Reaktion warteten. »Nun, das ist offensichtlich eine hohe Auszeichnung für uns«, sagte er ohne jede Ironie. Und das war es auch, derart auserwählt zu sein, auch wenn er ahnte, dass sie diese Ehre teuer bezahlen würden.
    »Das ist es«, sagte Terhoven. Jetzt erweis dich ihrer würdig.
    »Es ist noch nicht amtlich«, sagte Leiden, »aber es kann durchaus sein, dass Ihre Schwesterschiffe von britischen Reedereien unterhalten werden.«
    »Ganz schön dreist von denen«, sagte Terhoven. »Wie heißt es doch so schön? Eine Nation von Piraten?«
    »Ja«, sagte De
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