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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
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nicht auffindbar. Gleiches galt für die Leiche. Als der Gerichtsmediziner sie obduzieren wollte, um offiziell festzustellen, was sowieso klar war, dass der Mann nämlich seinen Schussverletzungen erlegen war, fand er die Leichenkammer leer vor. Die Diensthabenden der vergangenen Nacht erklärten das mit einem technischen Defekt der Kühlanlage, der sie genötigt hätte, die schon vorhandenen Leichen vorübergehend auszulagern. Sonst hätte es nämlich eine Riesensauerei gegeben. Mit dieser Arbeit sei man völlig ausgelastet gewesen, sodass man sich geweigert habe, den Neuzugang anzunehmen. Wer den Mann dann wohin gebracht habe, wisse man nicht. Es dauerte Stunden, bis sich der Leichensack in einer abgelegenen Ecke der Polizeigarage fand.
    «Immerhin nicht in der prallen Sonne», sagte Clemencia sarkastisch, als sie ihrem Chef Bericht erstattete. Oshivelo hörte sich ruhig an, was noch alles schiefgegangen war, machte sich nur ab und zu eine Notiz. Clemencia wusste sich mit ihm einig, dass die Arbeitsabläufe wesentlich effektiver organisiert werden mussten. Auf seine Anregung hin hatte sie ihre Ideen für ein Programm skizziert, das die dringendsten Maßnahmen in den Bereichen Kommunikation, Organisation, Qualifizierung ansprach. Ohne Finanzierung und das grundsätzliche politische Placet ging natürlich gar nichts, doch Oshivelo hatte versprochen, sich dafür einzusetzen. Das konnte er nicht nur, weil er Deputy Commissioner und gleichzeitig Leiter der Serious Crime Unit war, die sich mit Tötungsdelikten befasste. Als prominenter SWAPO-Kämpfer der neunzehnhundertsiebziger und -achtziger Jahre hatte er auch beste persönliche Kontakte zu vielen Kadern der Partei, die inzwischen Schlüsselpositionen in Verwaltung und Regierung besetzten.
    Während Clemencia zur Vorgehensweise im aktuellen Mordfall überleitete, blickte sie auf die beiden Porträtfotos an der Wand hinter dem Chef. Das eine zeigte Staatspräsident Hifikepunye Pohamba, das andere den Gründungsvater der Nation, Sam Nujoma.
    «Ich denke, wir müssen uns auf das Motiv konzentrieren. Wenn wir wissen, warum Abraham van Zyl erschossen worden ist …»
    «Wer?», fragte Oshivelo.
    «Abraham van Zyl. Das Opfer.»
    Oshivelo nickte und zupfte an seinem grauen Bart. Wenn er sich so in seinen Sessel zurücklehnte, glich er ein wenig dem Altpräsidenten Nujoma.
    «Sagt Ihnen der Name etwas?», fragte Clemencia.
    «Nein.» Oshivelo schüttelte den Kopf. «Fahren Sie fort!»
    Es gab nicht viel fortzufahren. Clemencia brauchte ein paar Leute, die sich das Umfeld des Toten – Verwandte, Freunde, Arbeitskollegen – vornehmen würden und seine finanziellen Transaktionen überprüften. Das Übliche eben. Daneben sollte man sich an den einschlägigen Orten umhören, ob jemand ein automatisches Gewehr gekauft hatte. Oshivelo gestand ihr vier Beamte zu, mehr ginge beim besten Willen nicht.
    Eine Stunde später hatte Clemencia ihr Team beisammen. Immerhin war Angula dabei. Den anderen drei Männern sah man ihren Unwillen, von einer Frau kommandiert zu werden, mehr oder weniger deutlich an. Ein Weißer war darunter, Bill Robinson, der bei früherer Gelegenheit zu verstehen gegeben hatte, dass er nichts gegen das Affirmative-Action-Gesetz habe, mit dem ehemals rassisch Benachteiligte in Führungspositionen befördert werden sollten. Ganz im Gegenteil, er verlange nur, dass dem Wortlaut des Gesetzes entsprochen werde, und da stehe eben, dass qualifizierte Schwarze vorrangig zu berücksichtigen seien. Seiner Meinung nach gehörten zur Qualifikation eines Inspectors notwendig ein paar Jahre praktische Erfahrung im Außendienst – «da, wo es brennt», hatte er gesagt – und nicht nur ein Studium und gute Noten auf dem Papier. Den Neid, der daraus sprach, konnte Clemencia wegstecken. Wütend machte sie, dass Robinson aus Mevrou van Zyl wahrscheinlich wirklich mehr Informationen herausgeholt hätte als sie, und das keineswegs, weil er ein besserer Polizist gewesen wäre.
    Oshivelo war dabei, als Clemencia ihre Leute einwies. Sie wusste, dass er ihre Führungsqualitäten überprüfen wollte, aber sie verhielt sich keinen Deut anders, als sie es sonst getan hätte. Zuerst stellte sie klar, was sie erwartete: keine Alleingänge, umfassende Information untereinander, die lückenlose Dokumentation aller Ergebnisse, die jederzeitige Erreichbarkeit aller Teammitglieder, und, bitte schön, was der Presse mitgeteilt würde, entscheide nur sie in Absprache mit dem Chef. Sie spürte,
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