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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
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mal zufällig einen Ex-Rassisten erwischen?»
    Vielleicht, weil Mevrou van Zyl bezüglich der Vergangenheit ihres Mannes so schweigsam geblieben war? Vielleicht, weil die Vergangenheit gar nicht so vergangen war? Vielleicht, weil die van Zyls und ihr Freundeskreis und vermutlich die gesamte Welt, in der sie sich bewegten, im Grunde noch genauso rassistisch waren wie in der Apartheidszeit? Clemencia sagte nichts.
    Bill Robinson stand auf. Er wolle dann mal los. Er war noch nicht an der Tür, als einer von der Telefonzentrale hereinkam, der dringend den Chef zu sprechen wünschte. Die Group-4-Securicor-Leute hätten angerufen. Sie seien verständigt worden, dass einer ihrer Wagen ausgebrannt im Buschveld bei der Heja-Lodge stünde. Sie hätten ein paar Patrouillen hingeschickt und eine verkohlte Leiche auf dem Fahrersitz gefunden. Seltsam sei, dass sie keinen ihrer Wagen vermissten. Und auch keinen ihrer Leute.
    «Verdammt!», sagte Oshivelo. «Ist der Tote schon identifiziert?»
    Der Mann schüttelte den Kopf.
    Es war drückend heiß im Raum 214 der Dienststelle. Eine Leiche in einem falschen G4S-Wagen! Genau so ein Wagen, in dem sich wahrscheinlich van Zyls Mörder vom Tatort entfernt hatte. Clemencia nahm das zur Kenntnis, doch sie war nicht hundertprozentig bei der Sache. Ihr Gespräch mit dem Chef ging ihr nicht aus dem Kopf. War es wirklich möglich, dass Oshivelo den Namen Abraham van Zyl nie gehört hatte? Einer wie er, der zur Zeit des Lubowski-Attentats an vorderster Front des politischen Kampfs gestanden hatte. Der seit der Unabhängigkeit in verantwortlicher Position bei der Kriminalpolizei war und die Ermittlungen im Lubowski-Fall hautnah mitbekommen haben musste. Konnte man so etwas einfach vergessen haben?
     
    Ndangi Oshivelo, Deputy Commissioner der namibischen Polizei:
    Zum ersten Mal begegnete ich Anton Lubowski 1983 im Internierungslager Osire. Die Südafrikaner beschuldigten mich, einen Sprengstoffanschlag in Klein Windhoek begangen zu haben, und hatten mich nach Osire gebracht, um dort ungestört ein Geständnis aus mir herauszuprügeln. Natürlich hatte ich keinen Anwalt benachrichtigen dürfen, aber die Genossen hatten sich darum gekümmert. Wie es Lubowski geschafft hatte, zu mir vorzudringen, weiß ich nicht. Wahrscheinlich hing es damit zusammen, dass die Südafrikaner aus politischen Gründen schnell jemanden verurteilt sehen wollten und den Prozess ohne Verteidiger schlecht eröffnen konnten, wenn sie die rechtsstaatliche Fassade einigermaßen aufrechterhalten wollten.
    Als Lubowski hereinkam, war ich natürlich froh, überhaupt jemanden zu sehen, dachte aber auch, dass dieser Mann mir garantiert nicht helfen konnte. Man sah einfach, dass er aus einer anderen Welt stammte. Ein tadellos sitzender grauer Anzug, eine passende Krawatte, der Siegelring am Finger, das Aktenköfferchen in der linken Hand. Die etwas zu langen lockigen Haare wollten zu der dezenten Aufmachung nicht recht passen. Als wollte er damit signalisieren, dass er nicht bloß Anwalt sei. Er war noch jung damals, einunddreißig Jahre alt, und wirkte so, als habe er ein Recht darauf, dass ihm alles von selbst zuflog. Als bestehe seine Hauptaufgabe darin, das Leben in vollen Zügen auszukosten.
    Später stellte sich heraus, dass er auch eine ganz andere Seite hatte. Wenn es nötig war, nahm er in Kauf, was seinesgleichen sonst tunlichst zu vermeiden pflegte. Insgesamt sechsmal haben ihn die Südafrikaner festgenommen. 1987 saß er selbst im Osire Camp ein. Mehr als drei Wochen Einzelhaft in einer verrosteten Eisenhütte. Dass das kein Spaß ist, kann ich aus eigener Erfahrung versichern. Ein kleines Fenster unter dem Dach ließ gerade genug Licht herein, um Tag und Nacht unterscheiden zu können. Die Zellenwände heizten sich tagsüber unerträglich auf, während es nachts bitterkalt wurde. Eine einzige Decke bekam man, und bis auf die Unterhose wurden einem die Kleider weggenommen. Du sitzt da, Tag für Tag, Nacht für Nacht, starrst irgendwohin, fühlst deinen Körper zittern und beben und würdest gern verrückt werden, wenn das nicht genau das wäre, was die Folterknechte beabsichtigen.
    Jedenfalls kam Lubowski damals in Osire auf mich zu, blieb stehen. Noch bevor er mich begrüßte, deutete er auf die blauen Flecken in meinem Gesicht und fragte den Aufseher, der unser Gespräch überwachte: «Da ist er wohl gegen eine Tür gelaufen, oder?»
    Der Aufseher zögerte, zuckte dann die Achseln.
    «Ich hätte gern Namen, Vornamen
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